Stachel der Erinnerung
irgend jemand
Gwen helfen konnte, dann war es Adam Harcourt.
Sie hätte
Lord Waring beinahe bemitleidet.
Im Salon des Stadthauses der Warings starrte
Gwen in das häßliche Gesicht ihres Stiefvaters, ihr Gesicht drückte reinsten
Trotz aus. Auf dem Sofa am anderen Ende des Zimmers saß ihre Mutter. Sie
drückte ein Taschentuch vor die Nase und schluchzte leise.
»Du bist
ein störrisches, schwererziehbares junges Mädchen, Gwendolyn
Lockhart – du bist darauf aus, dich selbst zu zerstören.« Waring, der mehr als
dreißig Zentimeter größer war als Gwen, blickte auf sie hinunter. Sein Gesicht
glühte vor Selbstgerechtigkeit, und seine dunklen Augen blitzten voller
Vorfreude. »Dir ist doch klar, daß ich dich dafür bestrafen muß.«
Ihre Mutter
weinte theatralisch auf. »Muß das wirklich sein, Edward?« jammerte sie.
»Gwendolyn hat sich freiwillig gestellt. Sie hätte uns das nicht sagen müssen.
Sie hätte den Mund halten können, statt dessen hat sie uns die Wahrheit auf
die Nase gebunden.«
Er
schnaufte empört. »Deine Tochter hat ihren Ungehorsam gestanden, weil sie
wußte, daß wir es früher oder später sowieso herausgefunden hätten. Sie hat nur
versucht, ihre Haut zu retten. Doch ich habe nicht die Absicht, über ihr
abscheuliches Benehmen hinwegzusehen. Ich werde ihr eine gerechte, aber harte
Strafe zukommen lassen. Wer nicht lernen will, soll fühlen.«
Ihre Mutter
heulte noch einmal auf, dann hüllte sie sich in Schweigen. Waring richtete
seine Aufmerksamkeit wieder auf Gwen.
»Geh in
dein Zimmer, Gwendolyn. Zieh deine Kleidungsstücke bis aufs Hemd aus und warte
auf mich. Vielleicht werden ein paar Hiebe mit der Birkenrute dir deine
nächtlichen Aktivitäten austreiben ... wenigstens für die nächste Zeit.«
»Edward,
ich flehe dich an«, bat ihre Mutter.
»Und Ihr,
Madame, Ihr werdet Euch auch in Euer Zimmer zurückziehen. Mir ist klar, daß die
Aufgabe, die eigenen Kinder zu bestrafen, sehr unangenehm ist. Deshalb werde
ich es Euch ersparen, dabei zuzusehen.«
Den Blick
sorgsam auf den Boden geheftet, stand ihre Mutter mit zitternden Knien auf.
Sie warf Gwen noch einen vorsichtigen Blick zu, dann verließ sie das Zimmer.
Gwen folgte ihr wortlos und ging durch den Flur zu ihrem Zimmer, das am anderen
Ende des Flurs lag.
Ihre
Kammerzofe Sadie wartete auf sie. Es gab nur sehr wenig, was die Dienstboten
nicht wußten. Und die Vorliebe des Grafen für
die Prügelstrafe an seiner Stieftochter war sowieso nicht zu übersehen.
Sie
brauchte nicht lange, um ihre Herrin auszuziehen, und verließ fluchtartig das
Zimmer. In ihrem dünnen Hemd stand Gwen kerzengerade inmitten des Raums und
wartete auf die Qualen, die sie erwarteten. Dennoch begann sie am ganzen Körper
zu zittern, als sie alleine war. Mit hölzernen Schritten ging sie zum Bett,
nahm die Decke hoch und schlang sie um sich. Dann trat sie vor das Feuer im
Kamin und hoffte, daß es die Eiseskälte aus ihrem Körper vertreiben könnte.
Waring kam
einige Minuten später. In der Hand hielt er eine Birkenrute, etwa einen Meter
zwanzig lang, die von der Rinde befreit, geglättet und dann glänzend poliert
worden war. Sie war eines seiner liebsten Besitztümer.
»Es tut mir
leid, Gwendolyn, daß es wieder einmal so weit kommen mußte.«
Gwen verzog
bitter den Mund. »Es ist nicht nötig, daß Ihr lügt, Mylord. Wir beide wissen,
daß es Euch keinesfalls leid tut.«
Waring biß
die Zälme zusammen. »Wirf die Decke weg, Gwendolyn, und leg die Hände flach auf
die Bank am Fußende deines Bettes.«
Sie war
viel zu alt, um so leicht bekleidet vor ihm zu stehen. Das wußte er genausogut
wie sie. Diese ganze Scharade war nur ein Vorwand, um seine Lust und den Rest
von schlechtem Gewissen, den er vielleicht noch fühlte, dahinter zu verbergen.
Sie ließ die Decke fallen und drehte sich schnell um, weil sie hoffte, er würde
die dunklen Knospen ihrer Brüste durch den dünnen Batiststoff, der sie
notdürftig bis zu den Knien bedeckte, nicht sehen.
Ihre Hände
zitterten, als sie sich vorbeugte und die Handflächen auf die gepolsterte, mit
Samt bezogene Bank legte. Ihre Finger krallten sich in den dicken rosafarbenen
Stoff.
»Da meine
Lektionen bisher so wenig gefruchtet haben, werde ich mich bemühen, es dir
diesmal unvergeßlich zu machen.«
Gwen schloß
die Augen, als er ihr Hemd hochschob und ihre Kehrseite entblößte. Sie hatte
mit so etwas gerechnet, da seine Mißhandlungen von Mal zu Mal schlimmer wurden.
Dennoch wehrte sie sich
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