Stachel der Erinnerung
krachte ihm seine Fäuste in den Magen, und als der Graf japsend nach
Atem rang, krallte Adam beide Hände um den dicken Hals des Mannes.
»Adam!«
Gwendolyn versuchte, Adam durch den Nebel seiner Raserei zu erreichen.
»Adam,
bitte. Er ist es nicht wert! Bitte – du wirst ihn noch umbringen!« Nur
undeutlich fühlte er ihre Hände, als sie versuchte, seine Hände vom Hals ihres
Stiefvaters zu zerren. Warings Gesicht war blau angelaufen, seine Augen traten
schon hervor, zappelnd versuchte er, Adams Griff um seinen Hals zu lockern.
»Adam,
bitte! Tu das nicht!« Es war ihr Schluchzen, das schließlich durch seinen
blindwütigen Zorn drang und ihn in die Wirklichkeit zurückholte. Er lockerte
seinen Griff, ließ Waring los, richtete sich auf und atmete bebend durch.
Neben ihm stand Gwen und zitterte, Tränen glänzten auf ihren Wangen.
Ihr Gesicht
war genauso blaß wie jetzt das von Waring, ihr Atem ging beinahe genauso
heftig. Dennoch sah sie wunderschön aus, das dünne Hemd konnte ihre weiblichen
Rundungen nicht vor seinen Blicken verbergen. Adam stieß einen bitteren Fluch
aus. Er haßte den Grafen, doch noch mehr haßte er sich selbst. Er hob seinen
Umhang auf und legte Gwen den dicken, mit Seide abgesetzten Mantel um die
Schultern. Dann hob er sie behutsam auf die Arme. Gwen verzog vor Schmerzen das
Gesicht.
»Ich bringe
dich hier weg«, sagte er. »Ich werde nicht zulassen, daß er dich jemals wieder
anrührt.«
Sie sagte
nichts, barg nur ihr Gesicht an seiner Schulter und vergrub ihre zitternden
Finger in seinem Hemd. Auch in der Kutsche sagte sie kein Wort und auch nicht,
als er sie heraushob und sie die Treppe zu seinem Stadthaus hinauftrug.
Dann sah
sie Jessie und begann herzzerreißend zu schluchzen. Adam bedeutete Jessie, ihm
nach oben in eines der Schlafzimmer zu folgen, in dem er Gwen sanft auf ein
Bett legte.
Er drückte
ihr einen Kuß auf die Stirn und wandte sich zu Jessie um. »Werdet Ihr Euch um
sie kümmern?«
»Natürlich«,
versicherte ihm Jessie.
Adam nickte
nur. Sein Hals war wie zugeschnürt, seine Augen brannten. Dies alles war sein
Fehler – alles. Er verließ das Zimmer und ging nach unten.
Eine
Stunde später kam
Jessie die Treppe hinunter. Durch die offene Tür des Salons entdeckte sie Adam
Harcourt, der im Halbdunkel saß. Nur eine einzelne Öllampe und die Funken des
verlöschenden Feuers erhellten das Zimmer. Er hatte den Kopf gesenkt, und seine
Schultern hingen herab. Sein dichtes schwarzes Haar war zerzaust, weil er
pausenlos mit den Händen hindurchgefahren war.
Als er sie
hörte, hob er den Kopf und stand hastig auf. »Wie geht es ihr?«
»Von Schlägen
mit der Rute stirbt man nicht, Mylord. Es ist Gwens Herz, das gebrochen ist.«
Er
schluckte, dann sah er weg. »Das ist mein Fehler – alles. Ich hatte nie die
Absicht, sie zu verletzen. Ich ... mich hat nur so sehr nach ihr verlangt ...
Es lag
etwas in seinem Blick, etwas, das sie niemals in den Augen eines so zynischen
Mannes, wie er einer war, zu sehen geglaubt hatte ... es war Schmerz, aber noch
irgend etwas anderes, Unbestimmbares. »Sie ruht sich jetzt aus. Morgen früh
wird es ihr bessergehen, aber ich bin nicht sicher ...
»Wessen
seid Ihr nicht sicher?«
»Vielleicht
hätten wir uns nicht einmischen dürfen. Wir haben womöglich alles noch
schlimmer gemacht.«
Er trat
einen Schritt näher. »Wie meint Ihr das? Ihr könnt doch sicher nicht glauben,
daß es besser gewesen wäre, wenn wir sie bei Waring gelassen hätten?«
»Vielleicht
doch. Früher oder später wird sie nach Hause zurückkehren müssen. Und wenn sie
das tut, wird er sich an ihr rächen. Gwen wird vollkommen seiner Gnade
ausgeliefert sein.«
»Sie wird
nicht mehr nach Hause gehen«, erklärte St. Cere entschlossen. »Sie wird bei mir
bleiben.« Als Jessie den verzweifelten Blick des Vicomte sah, begann ihr Zorn
langsam zu schwinden.
»Lord St.
Cere ... Adam, wir wissen beide, daß Gwen nicht hierbleiben kann. Waring ist
ihr Vormund, und selbst wenn er das nicht wäre – der Klatsch würde sie
ruinieren.«
»Die
Klatschtanten würden es nicht wagen. Nicht, wenn wir heiraten würden.«
Sie zog die
Augenbrauen hoch. »Heiraten?«
»Das habe
ich gesagt.« Er verzog sarkastisch den Mund. »Ich weiß, man verfolgt mich nicht
gerade als den begehrtesten Heiratskandidaten Londons, aber der übelste bin
ich auch nicht.«
Jessie sah
ihn interessiert an. Niemals hätte sie von St. Cere erwartet, daß er Gwendolyn
einen Heiratsantrag machen
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