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Stachelzart

Stachelzart

Titel: Stachelzart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasmin Wollesen
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war sehr freundlich zu uns. Er hat dir sogar sein Bett überlassen und er selbst hat in der Scheune geschlafen. Wenn es nur irgendwie möglich wäre, bis zu unserem Auto zu kommen, hätte ich dich schon geschnappt und wäre weitergefahren. Das kannst du mir glauben!“
    Ich schüttelte den Kopf über so viel Unverständnis. Die schlafende Vera hatte mir eindeutig besser gefallen. Sie würde doch hoffentlich nicht von mir erwarten, dass ich nun ihre Kammerzofe spielen würde?
    Zuhause in ihrer schicken Penthouse-Wohnung in Berlin machte Vera nämlich nichts alleine. Für den Haushalt, das Wäsche waschen und den Einkauf war Galina zuständig, ihre polnische Putzfrau.
    Galina arbeitete schon für Vera, seit ich noch ganz klein war. Ich liebte Galina. Sie kam dreimal in der Woche zu uns und brachte mir immer heimlich diese leckeren polnischen Tiki-Taki Schokobonbons mit. Vera wusste davon nichts und sie hätte es bestimmt auch nicht erlaubt, denn sie hasste Süßigkeiten. „Die machen dick und schlechte Zähne“, sagte sie immer. Wir hatten deshalb auch nie Süßigkeiten im Haus. Mit Galina konnte ich über alles reden, sie hörte mir immer zu und gab mir wertvolle Tipps. Auch bei meinem ersten Liebeskummer tröstete Galina mich und schenkte mir gleich mehrere Packungen Tiki-Taki Bonbons. „Schokolade gut gegen Kummer!“, sagte sie. Scheinbar hatte Galina oft Kummer, denn besonders schlank war sie nicht, im Gegenteil: Sie war sogar recht korpulent. Aber gerade das mochte ich an ihr. Wenn sie mich begrüßte, nahm sie mich immer in den Arm, gab mir einen Kuss auf die Wange und nannte mich liebevoll „Myszka“ - Mäuschen. So eine Galina-Umarmung war herrlich weich und kuschelig. Im Gegensatz zu einer Umarmung von Vera, die nur höchst selten vorkam. Veras Umarmungen waren steif und man musste aufpassen, dass man sich nicht an ihren Knochen pikste.
    Warum Galina immer noch für Vera arbeitete war mir ein Rätsel. Eine anstrengendere und forderndere Arbeitgeberin als Vera konnte ich mir kaum vorstellen. Als ich schon lange erwachsen war und Galina daraufhin einmal ansprach, zuckte sie nur mit den Schultern und meinte: „Geld gut!“ Was wohl so viel hieß wie, dass Vera ihr genügend Schmerzensgeld zahlte.
    Aber dass ich hier auf Sams Hütte Galinas Part übernehmen würde, konnte Vera sich    abschminken.
    „Schaffst du es alleine ins Badezimmer oder soll ich Sam fragen, ob er dich tragen kann?“, fragte ich Vera.
    „Bist du verrückt? Ich lasse mich doch nicht von diesem Kerl tragen. Hilf mir mal!“ Vera setzte sich langsam auf und reichte mir ihre manikürte Hand. Ich zog sie vorsichtig hoch.
    „Oh, ein bisschen schummerig ist mir noch.“ Ihre Beine knickten plötzlich ein. Ich schaffte es gerade noch, ihr unter die Achseln zu greifen.
    „Soll ich nicht doch lieber Sam holen?“
    „Nein, habe ich gesagt! Ich habe nur zu lange gelegen, das ist alles. Geht gleich schon!“ Vera straffte die Schultern und tippelte im Gänsemarsch ins Badezimmer. Ich stützte sie, so gut ich konnte.
    Ein kurzer Blick in den Spiegel ließ Vera entsetzt aufkeuchen. „Oh Gott, wie sehe ich denn aus. Schnell Anna, hilf mir mal!“ Sie drehte den Wasserhahn auf. „Pfui, das ist ja eiskalt. Gibt es hier kein warmes Wasser?“
    „Nein, gibt es nicht. Der Strom ist ausgefallen und das Wasser wird mit einem Elektroboiler erhitzt.“
    „Waaaas? Der Strom ist ausgefallen. Das ist ein Scherz, oder?“ Vera starrte mich entsetzt an.
    Ich biss mir auf die Lippen. Mist! Jetzt regte sie sich doch wieder auf. Bisher war Vera für ihre Verhältnisse erstaunlich gelassen geblieben. Aber die Nachricht, dass wir keinen Strom hatten, war wohl der sprichwörtliche Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.
    „Nicht aufregen! Wir kriegen das alles hin. Bestimmt wird der Weg morgen schon frei geräumt und wir können weiter fahren. Und vielleicht bekommst du so ja auch noch einmal die Gelegenheit mit Sam über das Grundstück zu sprechen. Er ist nämlich eigentlich ganz nett“, versuchte ich Vera zu beschwichtigen. Ich wusste, dass Sam wahrscheinlich alles andere als erfreut sein würde, wenn Vera ihn noch einmal auf das Verkaufsthema ansprechen würde, aber ein anderer Spruch um Vera abzulenken, fiel mir gerade nicht ein. Ich kam mir vor, wie ein Trapezkünstler, der einen komplizierten Balanceakt vollführte:
     
                Vera nicht aufregen,
                Nicht erzählen, dass der neue Besucher Kay König

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