Stachelzart
Höhe von Sams Aussichtsplattform mit der kleinen Parkbank angekommen, als ich jemanden meine Stimme rufen hörte.
„Anna, Anna?!“
Kay , dachte ich. Er sucht mich tatsächlich!
Mein schlechtes Gewissen meldete sich sofort. Mittlerweile war es über vier Stunden her, dass ich zum Pilze suchen aufgebrochen war. Eine ganz schön lange Zeit. Hoffentlich hatte ich Vera nicht erschreckt. Die Chance, dass sie sich um mich sorgte, war meiner Meinung nach zwar nicht sehr groß, aber dennoch vorhanden. Wenn sie eine erneute Herzattacke haben würde, wäre das meine Schuld.
„Hier, ich bin hier!“, rief ich und eilte der Stimme entgegen.
Plötzlich stand Kay vor mir. „Anna! Ist alles in Ordnung? Wo warst du bloß?“ Spontan umarmte er mich. Attraktiv sah er aus, wie er mich mit zur Seite geneigtem Kopf besorgt musterte.
„Ich war Pilze sammeln“, antwortete ich und hielt den Korb hoch. „Und dann habe ich Henri getroffen ….“
„Henri? Wer ist Henri?“, Kay hielt mich an den Handgelenken fest.
„Henri ist Vogelforscher. Er wohnt gerade oben in der Station.“
„Wie bitte?“
„Oben auf dem Gipfel ist eine Vogelstation. Henri arbeitet dort. Er und Sam kennen sich auch, aber Sam wusste nicht, dass Henri momentan da ist. Henri hat von dem Erdrutsch nichts mitbekommen und ich habe ihm alles erzählt“, erklärte ich.
Kay wirkte verwirrt. „Du hast die letzten vier Stunden mit irgendeinem Henri verbracht, während wir ganz krank vor Sorge waren und uns gefragt haben, ob dir etwas passiert ist?“ Seine Stimme hatte nun einen drohenden Unterton.
Zerknirscht blickte ich zu Boden. „Na ja, erst habe ich Pilze gesucht. Dabei habe ich dann zufällig Henri getroffen. Er hat mich auf die Vogelstation eingeladen, wir haben uns unterhalten und etwas gegessen. Und irgendwie habe ich darüber die Zeit vergessen.“
„Ganz toll, Anna. Ich hoffe, du hast dich gut amüsiert. Hast du eigentlich eine Ahnung, wie lange ich dich schon suche?“ Kay wirkte nun sichtlich verärgert.
Ich schüttelte den Kopf.
„Als ich aus dem Badezimmer kam, warst du plötzlich weg“, fuhr Kay fort. „Ich habe Sam gefragt, wo du bist und dich gesucht. Ich wollte mit dir reden. Als ich dich nach einer Stunde immer noch nicht gefunden habe, bin ich zurück zum Haus gegangen, in der Hoffnung, dass ich dich übersehen habe und du schon wieder da bist. Aber das warst du nicht ...“
„Tut mir leid“, murmelte ich.
„Ich dachte schon, du bist vielleicht abgestürzt und liegst jetzt irgendwo hilflos und halbtot.“
„Ja, ja, ich sagte doch, dass es mir leid tut!“
Mit einem beherzten Griff packte Kay meinen Pferdeschwanz und zog daran, sodass ich zu ihm aufblicken musste.
„Aua, du tust mir weh!“
„Ich würde dir gerne noch viel mehr wehtun“, knurrte er. „Wage es nicht, mich noch einmal so zu erschrecken.“ Er hielt meine Haare weiterhin fest, beugte sich zu mir herunter und küsste mich fordernd. „Und? Nerve ich dich jetzt wieder?“ Mit blitzenden Augen sah er mich an.
Mein Herz schlug in wildem Stakkato. „Nein“, flüsterte ich.
„Das will ich hoffen!“, meinte Kay und ließ meine Haare los. Mein Gott, wie sexy dieser Typ doch war. Ein Teil von mir, der sehr lange keinen Sex mehr gehabt hatte, wollte auf der Stelle mit ihm schlafen. Ein anderer, aber kleinerer Teil wünschte sich auf der Stelle zurück zu Henri und den angenehmen und unkomplizierten Gesprächen von heute Vormittag.
Vielleicht sollte ich Kay einfach fragen, was er eigentlich von mir will , überlegte ich. Das ist wohl das Beste! Dann muss ich mir nicht länger den Kopf zerbrechen.
Meinen Kopf brauchte ich immerhin noch für meinen neuen Roman. An dem ich heute noch nicht weitergearbeitet hatte … .
Ich beschloss reinen Tisch zu machen und den Stier bei den Hörnern zu packen. Was hatte ich schon zu verlieren?
„Hör mal Kay“, begann ich das Gespräch, während wir zurück zu Sams Hütte gingen und uns dabei an den Händen hielten. „Was soll das hier eigentlich mit uns beiden werden?“
„Wie meinst du das?“, Kay blickte mich fragend an.
„Wenn du ein schnelles Abenteuer suchst, haben wir noch bis Mittwoch oder Donnerstag Zeit dafür. Danach werden wir höchstwahrscheinlich aus unserer Lage befreit werden. Ich bin nicht unbedingt der Typ für One-Night-Stands, aber es ist nicht so, dass ich noch nie einen hatte … .“
„Bietest du mir gerade Sex an?“ Kay löste seine Hand aus meiner.
„Ja, ich denke schon! Das
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