Stachelzart
nicht lachen“, Henri wirkte nun verlegen. Ich kannte dieses Gefühl. So erging es mir auch immer, wenn ich aus meinen eigenen Büchern vorlesen sollte.
„Versprochen. Mache ich nicht!“, versicherte ich ihm.
„Na gut. Das hier finde ich eigentlich ganz ok:
„Sei wie eine Rose. Dufte süß und kleide dich gut. Aber lass dir Stacheln wachsen, die dir deine Feinde vom Leibe halten. “
„Wow, das ist echt gut!" Ich war ehrlich beeindruckt.
„Danke“, Henri schien sich über meine Bemerkung zu freuen. Dann sah er hinüber zu dem Campingkocher und sprang auf: „Mist!“
Ich folgte seinem Blick und sah die Bescherung. Die Suppe war übergekocht und tropfte nun auf die Holzdielen.
„Verdammt!“, schimpfte Henri und nahm schnell den Topf vom Campingkocher.
Ein süßlicher Geruch von verbrannter Hühnersuppe lag nun in der Luft. Henri öffnete eines der beiden kleinen Fenster. „Igitt, was für ein Gestank!“
Da musste ich ihm zustimmen. Der Geruch war wirklich alles andere als gut. Scheinbar hatte Henri genau wie ich eine sehr empfindliche Nase.
„Tut mir echt leid. Ich habe nicht aufgepasst. Ich mache dir gleich eine neue Suppe.“
Er begann dem Missgeschick mit einigen Lappen zu Leibe zu rücken. Ich stand von meinem Platz auf, um ihm zu helfen. Zu zweit hatten wir das Malheur schnell behoben.
„Danke! Manchmal bin ich leider etwas zerstreut“, Henri nickte mir dankbar zu.
„Kein Problem!“, winkte ich ab. „Sind Forscher nicht alle ein bisschen zerstreut? Das gehört doch zum Berufsbild sozusagen dazu, oder?“
„Zumindest denken das viele, wenn sie das Wort Professor hören“, meinte Henri. Er setzte eine neue Suppe auf. Dieses Mal blieb er neben dem Campingkocher stehen und passte besser auf. Kurz darauf hatte ich einen Teller mit dampfender Hühnersuppe vor mir stehen. Heißhungrig aß ich alles bis auf den letzten Tropfen auf. Danach schlug Henri vor, ein paar Himbeeren pflücken zu gehen und diese draußen zu essen. Jeder von uns pflückte eine Handvoll der roten Früchte und nachdem wir sie gesäubert hatten, setzten wir uns nebeneinander auf einen umgestürzten Baumstamm in die Sonne und aßen und redeten. Henri erwies sich als sehr angenehmer und intelligenter Gesprächspartner. Wir stellten fest, dass wir einige Gemeinsamkeiten hatten. Die Liebe zur Natur, literarische Werke, gutes Essen und noch vieles mehr. Ich vergaß vollkommen die Zeit, bis Henri auf einmal fragte: „Wann musst du denn wieder los? Nicht, dass Sam und die anderen denken, dir wäre etwas passiert. Sie wissen ja nicht, dass ich auch hier bin!“
„Wie spät ist es denn?“, wollte ich wissen.
Henri warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „Gleich 13 Uhr“, antwortete er.
„Oh nein“, rief ich. Er hatte Recht. Ich war gegen 9.30 Uhr bei Sam aufgebrochen. Nach mittlerweile fast dreieinhalb Stunden würden die anderen sich sicher fragen, wo ich abgeblieben war. Bestimmt würden sie mich schon suchen. Ich beschloss mich gleich auf den Rückweg zu machen. Henri bot an, mich noch ein Stück zu bringen. Während unserer netten Unterhaltung hatte ich den Erdrutsch und alles andere total vergessen. Selbst an Kay König hatte ich kein einziges Mal denken müssen. Jetzt auf dem Rückweg brachte ich das Gespräch auf den verschütteten Weg ins Tal. Henri meinte, ich müsse mir keine Sorgen machen. Sein Student würde am Mittwoch kommen, um ihn wieder abzuholen und dann ganz sicher Hilfe holen. Bis Freitag wäre dann der Weg bestimmt wieder frei geräumt, sodass wir unsere Reise fortsetzen könnten. Scheinbar hatte Henri unsere Unterhaltung ebenfalls sehr genossen, denn er fragte mich, ob ich ihn nicht morgen gegen Nachmittag noch einmal besuchen kommen wolle. Vormittags würde er die Felsenschwalbe beobachten, aber am Nachmittag würde er sich sehr über meine Gesellschaft freuen. Vielleicht hätte Sam ja ausnahmsweise auch Lust mitzukommen? Erfreut über seinen Vorschlag sagte ich zu. Wir verabschiedeten uns und er winkte mir hinterher, als ich den Weg zurück zu Sams Hütte antrat.
Gut gelaunt marschierte ich los.
Wie schön der Vormittag doch noch geworden ist, obwohl er so unangenehm begonnen hat, dachte ich. Henri hatte mir meine Sorgen, dass wir erst in etlichen Tagen gerettet werden konnten, genommen. Ich war recht zuversichtlich, dass sein Student Alarm schlagen würde und ich vielleicht schon am Wochenende wieder zuhause wäre. Pfeifend stieg ich abwärts.
Ich war schon fast wieder auf der
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