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Stachelzart

Stachelzart

Titel: Stachelzart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasmin Wollesen
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und interessierte sich sehr für die Stadt und ihre Geschichte. Die Zeit verging wie im Flug, bis es auf einmal draußen an der Haustüre klopfte.
     
    „Hallo ihr beiden“, Sam betrat das kleine Häuschen und Henri und er begrüßten sich wie zwei alte Bekannte. Kurz musste ich an die Dose denken, die ich heute Morgen in der Küche gefunden hatte und an die Schriftstücke, die Sam dort aufbewahrte. So wie er nun an dem kleinen Tisch saß und mit Henri scherzte, konnte man kaum glauben, was für ein trauriges Schicksal diesen Mann umgab. So locker und gelöst hatte ich Sam bisher noch nicht erlebt. Er und Henri schienen sich zu mögen.
    Sam und ich verbrachten den ganzen Nachmittag bei Henri. Henri erzählte uns von seiner Arbeit als Vogelforscher und Sam gab einige lustige Anekdoten aus seiner wilden Jugendzeit zum besten. Von seiner Frau und der kleinen Tochter erzählte er aber nichts. Es dämmerte schon ein wenig, als Sam und ich uns von Henri verabschiedeten und den Rückweg zu Sams Hütte antraten. Henri wollte morgen seine Sachen zusammenpacken und zu uns stoßen, da er fest damit rechnete, dass sein Student Alarm schlug und der Weg frei geräumt werden würde. Ich umarmte Henri zum Abschied und er winkte Sam und mir hinterher. „Bis Morgen“, rief er.
     
    „Sehr nett, dieser Henri“, bemerkte ich, während wir den Berg hinabmarschierten.
    Sam nickte. „Ja, er ist wirklich ein toller Gesprächspartner. Ich freue mich immer, wenn Henri in der Gegend ist und wir ein wenig plaudern können. Er ist neben dem Postboten und den Verkäufern in dem kleinen Tante-Emma-Laden im Nachbarort mein einziger Kontakt zur Außenwelt.“
    Ich überlegte kurz und beschloss dann, den Faden aufzugreifen und Sam ein wenig auszuhorchen. Vielleicht würde er mir ja etwas über seine Vergangenheit erzählen? Ob ich meinen Fund von heute Morgen erwähnen sollte?
    „Sag mal Sam, warum genau wohnst du eigentlich so einsam und alleine?“, stellte ich meine Frage.
    Sams Gesicht nahm einen harten Ausdruck an. „Das ist eine lange Geschichte!“
    „Erzählst du sie mir trotzdem?“
    Sam schien zu überlegen. Dann antwortete er, ganz der ehemalige Geschäftsmann: „Wir können einen Deal machen. Ich erzähle dir ein bisschen mehr über mich, dafür darf ich dir danach auch eine Frage stellen.“
    „Gut, Deal!“ Ich reichte ihm die Hand. „Du fängst an!“
    Sam erzählte stockend seine Geschichte. Es wirkte so, als hätte er lange nicht mehr darüber gesprochen. Seine Frau und er hatten jahrelang versucht, Kinder zu bekommen, aber es hatte nicht funktioniert. Dann war sie mit knapp 40 Jahren doch noch schwanger geworden. Ihre kleine Tochter Emmi kam gesund zur Welt und das Familienglück war vollkommen.  Zwei Jahre später bekam Sam den Vorstandsjob in seinem Unternehmen. Von da an hatte er kaum noch Zeit für die Familie. In der Ehe begann es zu kriseln, aber Sam interessierte nur sein beruflicher Erfolg. Er wollte noch einmal alles geben, bevor die jüngeren Kollegen an seinem Stuhl sägten. Je erfolgreicher er wurde, desto weniger sah er seine Frau und die kleine Emmi. Oft musste er Familientermine kurzfristig absagen, da ihm beruflich etwas dazwischen gekommen war.
    „Leider merkt man erst, was man hatte, wenn es nicht mehr da ist!“, seufzte Sam und wischte sich mit dem Ärmel über die Augen. Ich legte meine Hand auf seine Schulter. Ich wusste, was nun kommen würde. Der Unfall hatte Sams Leben komplett verändert. Sam gab mit eigenen Worten die Geschichte wieder, die ich heute Morgen in dem Zeitungsartikel gelesen hatte. Er erzählte von dem Lastwagenfahrer, der am Steuer eingeschlafen war und mit seinem LKW das Auto seiner Frau überrollt hatte.
    „Eigentlich hätten die beiden gar nicht auf der Autobahn sein sollen. Wir wollten nämlich einen Familienurlaub in Italien machen. Aber mir ist beruflich etwas dazwischen gekommen. Ich musste nach Paris fliegen und den Urlaub kurzfristig absagen.“ Hier stockt Sam in seiner Erzählung. Er holte tief Luft und fuhr dann fort: „Ich bin Schuld daran, dass die beiden tot sind. Und ich war noch nicht einmal für Emmi da, als sie auf dem Weg ins Krankenhaus starb. Die Ärzte haben mir später erzählt, dass sie noch eine kurze Zeit bei Bewusstsein war. Sie war ganz alleine, ohne ihre Eltern, als sie starb ...“, Sams Stimme brach und eine Träne rollte seine Wange hinunter.
    Ich schluckte. Ich musste mich sehr zusammenreißen, um nicht auch los zu weinen.
    „Sam, du bist

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