Stachelzart
wahrscheinlich wird es schwierig für mich werden, eine Partnerin fürs Leben zu finden. Es will eben keine einen naturverbundenen Romantiker.“ Henri blickte gen Himmel und klimperte mit den Wimpern.
Ich musste lachen. „Quatsch, das glaube ich nicht. Für Frauen kann es doch gar nicht romantisch genug sein! Und ich muss es ja wissen, denn ich verdiene damit mein Geld!“
„Du verdienst dein Geld mit Romantik? Was machst du denn genau?“, Henri betrachtete mich interessiert.
„Ich schreibe moderne Liebesromane.“
„Wirklich? Das ist ja interessant! Ich muss gestehen, dass ich in dieser Art von Literatur nicht so bewandert bin. Ich lese eher klassische Werke. An was schreibst du denn gerade?“, wollte er wissen.
„Genau das ist mein Problem. Ich schreibe an gar nichts!“, seufzte ich. „Mir fällt momentan überhaupt nichts Romantisches ein. Ich habe so etwas wie eine Schreibblockade. Eigentlich bin ich heute Morgen hier heraufgekommen, um zu schreiben, aber ich kriege einfach nichts hin. Vor lauter Frust muss ich eingeschlafen sein. Und dann bist du gekommen und hast mich geweckt!“
„Oh, das tut mir leid“, meinte Henri. „Vielleicht setzt du dich zu sehr unter Druck“, überlegte er dann. „Ich sage meinen Studenten, wenn sie bei ihren Diplomarbeiten nicht weiterkommen, immer dass sie erst einmal etwas komplett anderes machen sollen. Und dann, wenn man gerade nicht an das Thema denkt, kommt der zündende Gedanke.“
„Wenn das so einfach wäre“, zweifelte ich an dem Erfolg seines Vorschlages.
„Und wenn du an jemanden denkst, den du schon einmal wirklich geliebt hast?“, schlug Henri vor.
Ich überlegte. Wen hatte ich schon einmal wahrhaftig geliebt? Bei meinem ersten Freund war es eher ein Verliebtsein, genauso wie bei meinem letzten Schwarm Alexander. Die Kerle dazwischen fand ich ganz nett, aber echte Liebe?
Und Kay? Was war mit ihm? Wenn ich ehrlich zu mir war, empfand ich schon etwas für ihn, aber ob das mehr war als sexuelle Anziehungskraft?
„Das wird auch nicht helfen“, ich schüttelte betrübt den Kopf. Dann hatte ich eine Idee. Vielleicht konnte ich auch ein Vorbild aus dem Tierreich benutzen. Wenn jemand über Tiere Bescheid wusste, dann Henri. Ich beschloss, ihn danach zu fragen: „Wie ist es denn eigentlich allgemein in der Tierwelt? Gibt es da kein Beispiel für Liebe und Treue?“
„Doch, gibt es“, antwortete Henri und ein klitzekleines Grinsen umspielte plötzlich seine Mundwinkel. „Die Präriewühlmäuse sind sich treu und bleiben ein Leben lang zusammen.“
„Und was ist daran so lustig?“, wollte ich wissen.
„Na ja, wenn ein Präriewühlmausmännchen auf ein Weibchen trifft, haben die beiden zuerst mindestens 24 Stunden lang Geschlechtsverkehr. Dabei wird jede Menge Oxytocin ausgeschüttet, das ist so eine Art Kuschelhormon. Nach dieser wilden Nacht kuscheln sie ständig miteinander, sind sich treu und ziehen ihren Nachwuchs zusammen auf.“
„Wie bitte?“, fragte ich erstaunt. Hatte ich das richtig verstanden und Henri hatte gerade gesagt, dass diese Mäuseart stundenlang miteinander vögelte, um dann auf ewig zusammen zu bleiben? Was genau sollte mir dieser Vergleich denn nun sagen? Waren alle Männer um mich herum nur noch triebgesteuert oder sprach der Biologie-Professor aus Henri?
„Eigentlich ist das Ganze eine biochemische Reaktion, aber ich finde es trotzdem irgendwie romantisch!“, erklärte Henri und bekam rote Ohren. Wahrscheinlich war ihm gerade bewusst geworden, dass er mit einer fast fremden Frau in der Wildnis saß und über stundenlangen Sex redete.
Ich schüttelte belustigt den Kopf. Wie niedlich, Henri wurde genauso rot wie ich, wenn ihm etwas unangenehm war. Ich wollte etwas erwidern, aber ich kam nicht dazu, denn Henri wechselte schnell das Thema und lud mich auf einen Instant-Kaffee in die Vogelstation ein. Scheinbar wollte er unser Gespräch auf dieser Ebene nicht weiter vertiefen.
Ich nahm die Einladung gerne an. Einen Kaffee konnte ich zum Wachwerden gut gebrauchen. Wir setzten uns an den kleinen Tisch in der Hütte, schlürften Kaffee und betrachteten noch einmal die Fotos auf der Digitalkamera. Henri zeigte mir noch weitere Aufnahmen von anderen Vögeln. Einige gefielen mir so gut, dass ich sie ausgedruckt und gerahmt sofort in meiner Wohnung aufgehängt hätte. Wir plauderten eine Weile über seine Heimatstadt Wien und ich erzählte ihm dann von meiner Heimatstadt Berlin. Henri war erst einmal in Berlin gewesen
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