Stachelzart
sondern brach dann lieber den Kontakt ab, wie in Alexanders Fall, oder lief davon, wie in Kays Fall. Oder lenkte mich ab, wie in Henris Fall?
Ich straffte die Schultern und betrat Sams Haus.
„Sieh an, sieh an, meine werte Tochter!“ Vera hockte auf Sams Sofakante und starrte mich, als ich das Wohnzimmer betrat, böse an. „Wie nett, dass du uns auch mal wieder mit deiner Anwesenheit beehrst!“
Vera schien richtig sauer zu sein. Sie hatte ihr DuH – Gesicht aufgesetzt. Wenn ich nicht aufpasste, was ich sagte, würde sie sich binnen Sekunden in ein grünes Monster verwandeln. Ich blickte mich suchend um, konnte Kay zum Glück aber nirgendwo entdecken.
„Hallo Vera“, seufzte ich.
„Hallo Vera? Hallo Vera? Ist das alles, was dir einfällt?“, keifte sie los. „Du warst den ganzen Tag verschwunden und hast mich einfach hier sitzen lassen. Der arme Herr König musste sich um alles kümmern und das in seinem Zustand. Zum Glück hatte er in mir ein wenig Unterstützung. Dieser unmögliche Sam hatte ja auch nichts Besseres zu tun, als einfach zu verschwinden. Ich finde das wirklich unerhört!“
„Ich brauchte ein bisschen Ruhe!“, entschuldigte ich mich.
„Du brauchtest Ruhe? Warum das denn? Unglaublich, dass du nur an dich denkst. Ich bin todkrank und gefangen in der Wildnis und meine Tochter haut einfach ab, weil sie ein bisschen Ruhe braucht?“ Veras Stimme steigerte sich zu einem Orkan.
Mir platzte der Kragen. „Ich denke überhaupt nicht nur an mich!“, schrie ich zurück. „Du bist diejenige, die nur an sich denkt! Du hast keine Ahnung, was ich gerade durchmache und es interessiert dich auch nicht. Und außerdem bist du nicht todkrank!“
„Hör sofort auf hier herumzuschreien“, befahl Vera in einem schneidenden Ton. „Du bringst mich noch ins Grab. Was soll denn Herr König denken? Ich wundere mich wirklich darüber, was er an dir findet!“
Das war so gemein. Wenn ich nicht gewusst hätte, dass Vera wirklich ein schwaches Herz hatte, hätte ich mich gnadenlos weiter mit ihr gestritten. So aber musste ich versuchen, mich zusammen zu reißen. Um mich zu beruhigen, atmete ich ein paar Mal tief ein und aus.
„Du hast mit Kay über mich geredet?“, fragte ich dann.
„Natürlich! Der arme Kerl war ganz fertig wegen dir“, Vera hatte sich nun wieder im Griff.
Im Gegensatz zu mir. „Er war fertig?“, schnaubte ich. „Was soll ich denn sagen? Ich habe die ganze Zeit das Bild von diesem Model vor Augen!“
„Ach, das mit dieser Svea ist längst vorbei!“ Vera machte eine wegwerfende Handbewegung.
„Ist doch klar, dass er dir das erzählt hat. Aber woher weißt du, ob das stimmt?“, fiel ich ihr ins Wort.
„Ich glaube ihm einfach. Und wenn du ihn siehst, glaubst du es vielleicht auch. Wegen dir sieht Herr König verheerend aus. Seine Augen sind total zugeschwollen und er hat den ganzen Tag nur geniest. Er kann einem wirklich leid tun!“
Unglaublich, dass Vera für Kay Mitleid empfand und an meine Gefühle keinen einzigen Gedanken verschwendete. Wenn man jemandem einen absoluten Mangel an Mutterg efühlen bescheinigen konnte, dann Vera. Ich wünschte mich zurück nach Berlin und zu Mimi. Die würde mich wenigstens verstehen. Selbst Sam hatte mehr Verständnis für mich als meine eigene Mutter.
„Sprecht ihr über mich?“ Das Objekt meines Ärgers stand plötzlich im Türrahmen. Ich drehte mich um und keuchte erschrocken auf. Dieses Mal hatte Vera nicht übertrieben. Kay sah wirklich noch schlimmer aus als heute Morgen. Beide Augen waren so geschwollen, dass er nur noch aus kleinen Schlitzen gucken konnte und seine Nasenspitze war dunkelrot gefärbt. Er hielt ein Taschentuch in der Hand und schnäuzte sich.
„Kann ich – hatschi – jetzt mit dir reden?“
„Ich gehe dann mal“, Vera erhob sich und schickte sich, an den Raum zu verlassen.
„Halt, was machst du?“, rief ich.
„Ich lasse euch jetzt alleine!“, antwortete sie ruhig und zischte mir im Vorbeigehen zu: „Rede mit ihm, Anna!“
Na toll , dachte ich. Nur weil Kay prominent ist, interessiert sich Vera plötzlich für mein Liebesleben . Ich konnte mir schon vorstellen, wie sie in Berlin mit ihrem Perlenohrring-Club Sekt trank und von Kay schwärmte, ihrem aktuellen Traumschwiegersohn. Mir wurde richtig schlecht vor Ärger.
„Du scheinst dich ja ganz schön bei meiner Mutter eingeschleimt zu haben. Herr König hin, Herr König her ...“ Ich funkelte Kay böse an.
„Ich war eben nett zu ihr.
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