Stadt Aus Blut
auch ein bisschen Schlagtraining an seinem Kopf vornehmen können. Aber aus dieser Sache herauszukommen, ohne angeknabbert zu werden, wird ganz schön knifflig. Ich zünde mir erst mal eine Zigarette an.
Gristle hat mich nicht vergessen, wendet seine Aufmerksamkeit aber wieder dem Ding an der Wand zu. Ich drücke meine Zigarette aus und kauere mich auf eines der stabileren Holzbretter. Gristle schaut zu mir herauf. Das Licht der Straßenlampen bricht sich in seinen Augen und lässt sie rot aufblitzen. Steht ihm. Als er sich gerade umdrehen will, um zur Wand zu schleichen, lasse ich mich auf ihn fallen und halte ihn fest. Er windet sich und wirft den Kopf hin und her. Seine Zähne verfehlen nur knapp mein Gesicht und graben sich in meine linke Schulter. Ich lege meine Hand um seine Kehle und drücke zu. Er schüttelt den Kopf und zerreißt meine Haut. Ich drücke noch fester, und er beginnt zu zittern. Schließlich lässt er mich los, um nach Luft zu schnappen. Keine Chance. Es dauert ziemlich lange, bis er endlich bewusstlos ist. Aber er lebt noch. Ich ebenfalls. Keiner von uns hat Grund, sich zu beschweren.
Um die Löcher, die er mir in die Schulter gerissen hat, bilden sich Blutergüsse. Mein Blut ist schon geronnen. Ich hebe den Arm über meinen Kopf und strecke ihn aus. Wird schon gehen. Ich hebe den Schläger auf und sehe mir an, was Gristle so interessant fand. Es ist ein altes T-Shirt, das mal graugrün war. Jetzt ist es rot. Ich rieche daran. Man muss kein beschissenes Genie sein, um zu wissen, dass es Leprosy gehört.
Auf der anderen Seite des Gartens entdecke ich in einer dunklen Ecke zwischen zwei Häusern eine stählerne Falltür, die in einen Keller führt. Sie steht offen. Ich lasse das T-Shirt fallen. Eigentlich habe ich von Kellerlöchern inzwischen die Nase voll, aber was soll man tun? Es gehört eben zum Job. Mit erhobenem Baseballschläger gehe ich die Treppe hinunter.
Der typische ölig dreckige Geruch eines New Yorker Kellers umfängt mich. Ich sehe Müll, angeschimmelte Stofffetzen, feuchte Zeitungen und Blut. Viel Blut, das nach Leprosy riecht. Ich folge den Spuren.
Die Mietshäuser im East Village wurden so oft abgerissen und neu gebaut, dass die ursprünglichen Grundrisse wie abstrakte Gemälde wirken, die nichts mehr mit der Realität zu tun haben. Dieser Keller beispielsweise reicht weit über die Grenzen des sich darüber erhebenden Gebäudes hinaus. Vielleicht gehörte die ganze Häuserzeile früher einem einzelnen Besitzer, der aus irgendwelchen unbekannten Gründen alles mit Tunnels verbinden wollte. Möglich, dass sich hier unten mal eine illegale Schnapsbrennerei befand oder die Tunnels als Fluchtweg aus einer Drogenküche dienten. Während der unschuldigen Zeiten der Prohibition war hier vielleicht ein verbotenes Lokal. Keine Ahnung. Auf jeden Fall werde ich mich hier unten garantiert verlaufen. Der Geruch nach Blut wird stärker.
Manchmal komme ich an improvisierten Gittertüren vorbei, die zu Waschräumen oder den Lagern kleiner Kneipen führen, und aus denen das Licht nackter Glühbirnen dringt. Aber ich kann auch ohne Beleuchtung die Stelle erkennen, an der es Leprosy erwischt hat – fast wäre ich in einer riesigen Blutpfütze ausgerutscht. Leprosy sitzt vor mir im Dunkeln. Allein. Ich klemme mir den Schläger unter den Arm und hole meine Taschenlampe hervor. Ihr Strahl fällt in den dunklen Raum vor mir.
– Hey, Arschgesicht.
Er hockt auf seinem Hintern, an eine halb verrottete Holzsäule gefesselt, die mitten im Raum steht. Quer über seine Brust ziehen sich Dutzende tiefer Schnittwunden, aus denen Blut strömt und in seinem Schoß eine Pfütze bildet. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Mit dem Schläger in der Hand stehe ich in der Tür.
– Hey Lep. Du siehst Scheiße aus.
– Tja.
Seine Stimme klingt erstickt und sehr dünn.
– Ich glaube, ich bekomme eine Erkältung.
– Aha. Ist jemand bei dir, Lep?
Schwach hebt er den Kopf und sieht sich um, dann grinst er mich gequält an.
– Bin ganz allein, wie’s aussieht.
Ich betrete den Raum und leuchte in jede Ritze. Nichts. Ich lasse den Schläger fallen und knie mich neben Leprosy.
– Lass dich mal ansehen.
Die Schnitte auf seiner Brust sind nicht tief. Sie sollten nur Schmerzen verursachen, aber ihn nicht umbringen. Ich ziehe mein Hemd aus und reiße es in lange Streifen, mit denen ich seinen mageren Oberkörper verbinde.
– Sieht so aus, als hättest du noch mal Glück gehabt, Lep.
– Mir
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