Stadt Aus Blut
Speckrollen hängen über ein Sofa aus rotem, fadenscheinigem Samt. Kein Bürostuhl der Welt würde sein Gewicht aushalten.
Ich deute auf den Schönling, der auf der Lehne des Sofas hockt.
– Kann der mal eine Runde spazieren gehen?
Chubby grinst.
– Klar, Joe. Spazieren gehen ist Dallas’ Spezialität. Stimmt doch, Dallas?
Der Junge nickt und wirft mir einen bitterbösen Blick zu.
– Lass mal sehen, Dallas. Zeig dem netten Mann, wie gut du gehen kannst.
Dallas seufzt, richtet sich auf und stolziert an mir vorbei zur Tür. Man könnte ihn leicht für einen solariumgebräunten, fitnessgestählten Holzkopf aus Chelsea halten. Aber Chubby hält ihn sich bestimmt nicht in seinem Büro, damit er den Schreibtisch wegschiebt, wenn Chubby aufstehen will – der Typ ist wirklich gefährlich. Ich sehe ihm nach, bis er den Raum verlassen hat. Chubby beobachtet ihn ebenfalls.
– Er ist sehr süß, findest du nicht?
– Wenn man auf so was steht, vielleicht.
– Aber Joe. Du weißt doch, ich bin da nicht wählerisch. Aber die wirklich Schönen haben es mir einfach angetan. Die Schönen und die Grotesken.
Er deutet auf den verschlissenen Ledersessel vor dem Schreibtisch.
– Nimm Platz und entspann dich, Joe. Ist ja eine Ewigkeit her.
Ich setze mich.
– Worum geht’s?
– Whitney Vale.
Er senkt den Kopf, schließt die Augen und tätschelt sich mit seiner perfekt manikürten Hand die Brust, sodass das Fett unter seinem Dreiteiler Wellen schlägt. Dann sieht er auf.
– Schade drum, was für eine Verschwendung, Joe.
Er zieht ein seidenes Einstecktuch aus seiner Brusttasche.
– So ein hübsches Ding.
– Also hast du sie gekannt?
Er putzt sich die Nase und steckt das Tuch wieder weg.
– Bevor wir weiterreden, will ich Folgendes klarstellen: Ich bin natürlich sehr erfreut darüber, dass ein Mann deines Formats Interesse an den unglücklichen Umständen zeigt, unter denen das arme Kind zu Tode gekommen ist. Selbstverständlich bin ich bereit, alles dafür zu tun, dass deine Ermittlungen in diesem Fall von Erfolg gekrönt werden. Aber ist es vermessen von mir, wenn ich sage, dass wir dann quitt sind? In dieser einen Angelegenheit?
In dieser einen Angelegenheit.
Ich sehe mich in Chubbys verlottertem kleinen Büro um. Es ist letzten Endes nur ein Rigipswürfel in einer Büroetage auf der Avenue D, so sehr er sich auch anstrengt, ihm mit dem Schreibtisch, dem Sofa, dem fleckigen Perserteppich und der Kopie einer Tiffany-Lampe ein gewisses Flair zu verleihen. Der Rest der Etage wird von Chubbys Studio eingenommen, das aus zwei Bühnen und einem Dutzend Schnittplätzen besteht, wo seine Videos digitalisiert und für das Internet komprimiert werden. Nicht zu vergessen der Serverraum und eine kleine Kammer, in der er Kostüme und Requisiten aufbewahrt. Die Kostüme bestehen natürlich zum Großteil aus frivoler Unterwäsche und Ledergeschirr, und die Requisiten sind eine Reihe von Sperrholzplatten, auf die Verliesmauern gemalt sind und die nicht viel Platz brauchen. Chubby verdient sich sein täglich Brot mit Internetpornos. Nicht besonders stilvoll, aber um Klassen besser als im Tompkins-Park Gras zu verticken. Das tat er, als ich ihn vor ungefähr fünfzehn Jahren kennenlernte. Seitdem hat er sich bemüht, seine Gangstervergangenheit hinter sich zu lassen und einen gewissen Hip-Hop-Produzentenlook an den Tag zu legen.
Chubby bewegte sich schon immer in der Halbwelt, sein ganzes Leben lang, dort, wo normale Leute nie hinkommen. Er ist ein Gangster aus einer Gangsterfamilie, und das mit Stolz. So ist die Welt eben, zumindest aus seiner Sicht. Leute wie Chubby – die Schlauen, diejenigen, die überleben – sehen und hören bestimmte Sachen, und irgendwann fangen sie an, darüber nachzudenken. Chubby weiß sicher nicht über alles Bescheid, was so durch die Nacht schleicht, aber er hat eine gewisse Ahnung. Er weiß, dass ich da draußen unterwegs bin, wenn auch nicht genau, wie und warum. Und damit wären wir bei besagter Angelegenheit. Vor einigen Monaten steckte Chubby ziemlich tief in der Scheiße. Und er brauchte jemanden, der sich der Sache annahm. Jemanden mit Durchsetzungsvermögen und dem nötigen Fingerspitzengefühl. Also rief er mich an.
Normalerweise ist er sehr vorsichtig, was die Wahl seiner Darsteller angeht. Er interviewt sie alle persönlich. Aber manchmal greift selbst ein Profi wie er daneben. Diesmal hatte er einen Typ an Land gezogen, der auf Hardcore-Fesselspiel-Streifen spezialisiert
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