Stadt Aus Blut
war. Ein Experte in Sachen Seile, Folterbänke und dergleichen mehr. Außerdem konnte er sehr gut mit dem Messer umgehen. Seine Schnitte waren normalerweise nach ein paar Wochen verheilt. Er machte für Chubby ein paar Fototermine und drehte ein Video. Das war alles. Ein paar Wochen später waren zwei von Chubbys Mädchen verschwunden, was in der Branche eigentlich nicht so unüblich ist. Aber Chubby hatte schon sehr lange mit ihnen gearbeitet. Sie waren ein Teil der Familie. Er rief mich an und fragte mich, ob ich nicht ein bisschen nachforschen könnte. Ich ging Mitarbeiterlisten durch, rief Leute an.
Beim dritten Anruf erwischte ich den Fesselexperten. Er lebte auf Long Island, und ich durfte Chubbys Wagen samt Chauffeur benutzen, um nicht mit der Fähre rübertuckern zu müssen. Wir fuhren also dahin und klopften an der Tür. Sofort konnte ich den Angstschweiß der Mädchen riechen, den Gestank von Urin und Kot, der aus dem Keller drang. Der Kerl hielt sich für richtig clever. Er bat mich rein und versprach mir, mich nach Kräften bei meinen Nachforschungen zu unterstützen. Sobald er die Eingangstür hinter uns geschlossen hatte, kümmerte ich mich um ihn. Danach ging ich in den Keller, holte die Mädchen, steckte sie ins Auto und sagte dem Fahrer, er sollte sie zu Chubby bringen. Nachdem sie losgefahren waren, ging ich ins Haus zurück und arrangierte die Leiche dieses Fieslings so, dass es nach einem autoerotischen Akt aussah, bei dem er sich selbst mit einer seiner Henkersschlingen erwürgt hatte. Chubby fragte mich, was ich ihm schuldig wäre. Ich sagte, es ginge aufs Haus.
– Chubbs, ich hab dir gesagt, es geht aufs Haus.
– Trotzdem.
– Also gut, wenn du dich dann besser fühlst: Wir sind quitt.
Er lächelt.
– Sehr gut. Ich habe mich immer so schlecht gefühlt, weil ich meine Schulden nicht begleichen konnte. Ich würde dir das alles auch umsonst erzählen. Aber ich kenne dich, Joe. Du nimmst nichts geschenkt.
– Wie auch immer, Chubbs. Schieß los.
– Natürlich.
Er holt tief Luft, richtet die Augen zur Decke und atmet aus.
– Unter normalen Umständen hätte ich mir die ganzen Details gar nicht gemerkt. Aber nachdem ich die Zeitung gelesen habe, hielt ich es für angebracht, Whitneys Akte noch einmal durchzugehen, bevor ich mich von ihr trennte.
– Schlau.
Er wedelt mit seiner fetten Hand durch die Luft.
– Ich bin Profi. Jedenfalls kam Whitney vor ungefähr einem Jahr zu mir. Sie war äußerst attraktiv und sehr entspannt. Damals fehlten mir Mädchen, die diese Gruftie-Nummern abziehen wollten. Außerdem sah sie viel jünger als ihre neunzehn aus – immer ein Pluspunkt.
– Was hat sie gemacht?
– Nichts, was zu outré gewesen wäre.
– Outré?
– Das bedeutet...
– Ich weiß, was das heißt, Chubbs. Ich bin beeindruckt. Dein Wortschatz wächst von Tag zu Tag.
– Man kann nicht in der Vergangenheit leben, Joe. Das bedeutet Stagnation.
– Schön gesagt.
Er deutet auf ein zerfleddertes Wörterbuch auf dem Schreibtisch.
– Ein Wort pro Tag, das hab ich mir vorgenommen. Glaubst du, ich will den Rest meiner Tage damit verbringen, meine Umgebung mit yo, nigga anzureden? Einem schwarzen Mann im Amerika unserer Tage bleiben nicht viele Optionen, Joe. Bildung ist eine davon. Und ich bilde mich.
– Tut mir leid.
– Mir auch. Ich wollte nicht dozieren.
– Whitney Vale.
– Whitney. Wie gesagt, nichts was zu outré gewesen wäre. Sie war überall gepierct und tätowiert. Reine Verschwendung, sie in Leder zu stecken. Bei unserem ersten Dreh versuchten wir zwei Variationen: das katholische Schulmädchen und die leidenschaftliche Romantikerin. Der Kontrast zu ihrem eigentlichen Stil war entzückend. Es hat mich nicht überrascht, dass sie bald dem Schulmädchenlook den Vorzug gab. Wir suchten ihr ein paar Partner, männlich und weiblich, und drehten ein paar Videos.
– Welche Zielgruppe hattest du im Auge?
– Ein junges, unsicheres Mädchen in einem karierten Rock? Ich nehme an, dass es dich nicht überraschen wird, wenn ich dir verrate, dass die meisten ihrer Fans aus dem Netz sich Daddy soundsonannten.
– Hast du eine Liste von ihnen?
– Wie bereits erwähnt, hielt ich es für das Beste, meine gesamten Aufzeichnungen zu löschen.
Er tätschelt seinen leicht ergrauten Afro.
– Vielleicht würde dir eine Aufstellung ähnlich orientierter Kunden weiterhelfen? Zweifellos finden sich darin einige ihrer Verehrer.
Die Vorstellung, mich durch eine lange Liste von
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