Stadt aus Sand (German Edition)
Farben getaucht, nach und nach funkelten die Sterne am Himmel auf. Die kleinen Gerboa , die winzigen Wüstenmäuschen, sprangen aus ihren Verstecken im Sand hervor, doch sie flüchteten sich sofort wieder dorthin, als sie hörten, dass sich ein anderer Räuber näherte.
Hinter einer Düne tauchten zwei spitze Ohren auf, die sich unabhängig voneinander drehten, um alle Geräusche aufzunehmen. Fast sah es so aus, als gehörten sie zu zwei verschiedenen Tieren. Es waren die äußerst feinen Ohren eines Fenneks, eines Wüstenfuchses. Das Tier sprang elegant mal hierhin, mal dorthin. Dann blieb es stehen, und der Nachtwind zerzauste ihm das Fell, was ihm gar nicht gefiel.
Der Fennek legte sich mit dem Bauch in den Sand und vergrub die Schnauze zwischen den Pfoten. Seine Ohren drehten sich weiter nach rechts und links. Dann sprang er wieder auf und lief auf seinen kleinen Pfoten, die mit dichtem Pelz bewachsen waren, damit er sie sich nicht am heißen Sand verbrannte oder dort einsank, elegant und entschlossen auf ein bestimmtes Ziel zu.
Er hatte etwas entdeckt.
In der Senke vor ihm lag der reglose Körper eines Tieres. Schlief es? Der Fennek duckte sich wieder. Und wartete ab. Doch das Tier bewegte sich nicht.
Aus sicherem Abstand zog der Wüstenfuchs einen Halbkreis um seine Beute. Doch diese bewegte sich immer noch nicht.
Dann folgte ein zweiter Halbkreis, diesmal in die entgegengesetzte Richtung.
Der Fennek duckte sich und lauschte.
Nichts zu hören.
Vielleicht war dieses Tier ja tot.
Er drehte noch eine Runde und wartete ab. Und dann näherte er sich misstrauisch erst einmal um fünf Schritte und begann wieder mit dem vorsichtigen Umkreisen.
Das war gar kein Tier.
Nein, da lag ein Menschenjunges mit dem Gesicht im Sand.
Die Zunge des Fuchses schoss zwischen den scharfen Zähnen hervor, wie aus Vorfreude auf ein üppiges Festmahl. Seine Ohren bewegten sich unruhig hin und her.
Er näherte sich wiederum fünf Schritte. Wieder zwei Halbkreise. Dann trat er noch einen Schritt vor, aber diesmal ging er einen vollen Kreis um das Menschenjunge herum, damit er im Wind stand, denn er wollte herausfinden, ob es auf seine Witterung reagierte.
Keine Reaktion. Es bewegte sich nicht.
Wenn es so mit dem Gesicht im Sand lag, war es vermutlich tot.
Daraufhin fasste der Fuchs ein wenig Mut und näherte sich noch mehr. Jetzt konnte er den Geruch des Menschenjungen deutlich wittern und hörte auch ein langsames, regelmäßiges Klopfen.
Das Herz des Menschenjungen.
Es lebte also.
Der Wüstenfuchs duckte sich mit dem Bauch auf den Boden und schien zu überlegen, was er tun sollte. Dann robbte er sich einen halben Schritt auf dem Sand heran, verbarg die Schnauze zwischen den Pfoten, dann noch einen halben Schritt. Und so ging es weiter, bis er das Gewand des Menschenjungen berühren konnte.
Er streifte es mit einer Pfote.
Keine Reaktion.
Dann biss er es leicht.
Keine Reaktion.
Er versetzte ihm einen Stoß und sprang sofort zurück.
Keine Reaktion.
Irritiert schlich der Wüstenfuchs um seine Beute herum, bis er einen nackten Fuß des Menschenjungen erreichte. Er betrachtete ihn lange, suchte sich den saftigsten Zeh aus und biss hinein.
Mit einem unterdrückten Schmerzensschrei drehte sich das Menschenjunge halb um sich selbst und hob endlich das Gesicht aus dem Sand. Der Wüstenfuchs begriff, wie es hatte weiteratmen können: Der große Beutel unter seinem Gesicht hatte Luft durchgelassen.
Bei dem Menschenjungen handelte es sich um ein Mädchen mit zwei großen Ohren. An den Schultern war ein großer Beutel festgebunden. Darauf jede Menge Schlösser, Riemen und Tierzähne. Er schien gut gefüllt zu sein. Der Wüstenfuchs näherte sich vorsichtig und geduckt, bis er ihn schließlich berührte. Er biss hinein, und seine Zähne zogen an einem der Lederriemen, die den Beutel zusammenhielten.
Er versetzte ihm versuchshalber einen leichten Stoß.
Dann einen festeren, einen zweiten und einen dritten. Der Fuchs stemmte sich mit seinen kurzen Beinchen in den Sand und begann nun, stärker an dem Lederriemen zu ziehen, dabei knurrte er unterdrückt, aber er konnte nicht viel ausrichten.
In einem Anfall von Wut sprang der Fennek auf den Rücken des kleinen Mädchens, biss in den Beutel und zerrte hektisch an den Lederriemen. Es gelang ihm wenigstens, den Beutel ein ganzes Stück wegzurollen.
Zufrieden steckte er seine Schnauze in eine Öffnung und zog sie mit einem Stück Brot im Maul wieder heraus, das er auffraß,
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