Stadt aus Sand (German Edition)
sehr sie diese Wärme genoss. »Wie bin ich hierhergekommen?«, fragte sie.
Der Mann schlürfte geräuschvoll seinen Tee, dann stieß er plötzlich einen Pfiff aus. Hinter dem Zelt erschienen die spitzen Ohren eines Wüstenfuchses. Zunächst zögerte der kurz, doch dann kam er zu seinem Herrn, setzte sich auf seine Hinterbeine und starrte Rokia mit aufgerichteten Ohren an.
»Du musst dich bei ihm bedanken …«, erklärte der Mann und streichelte den Fennek. »Raogo hat dich hinter den Dünen da gefunden.«
Dass der Mann das Tier so liebevoll behandelte beruhigte Rokia, und das komische Gesicht des Fuchses entlockte ihr ein Lächeln: »Ich danke dir, Raogo.«
Der Mann nahm noch einen Schluck Tee. »Hast du auch einen Namen, Wüstenmädchen?«
Sie schüttelte den Kopf, als sie merkte, wie unhöflich sie wirken musste: »Verzeiht mir bitte. Gesundheit Euren Körpern. Ich heiße Rokia.«
Der Mann hob die Tasse und sagte: »Ayad.«
»Ich danke auch dir, Ayad. Wahrscheinlich war es mein Glück, dass ich euch begegnet bin.«
»Das war es bestimmt.«
Rokia tastete ihr Gewand ab und stellte erleichtert fest, dass das Gris-gris noch um ihren Hals hing. Ihr fehlte nur der Reisebeutel des Großvaters. Sie versuchte, ihn zwischen den aufgetürmten Waren im Lager zu entdecken, aber dazu war es zu dunkel. »Habt ihr zufällig auch meinen Reisebeutel gefunden?«
»Einen Reisebeutel?«, fragte Ayad. Dann verbarg er sein Gesicht in der Tasse, bevor er antwortete: »Nein, es tut mir leid, aber da war kein Beutel.«
»Oh, wie schade. Er gehörte meinem Großvater.« Rokia biss sich auf die Lippe. »Er enthielt einige Dinge von zu Hause.«
»Waren sie wertvoll?«
»Nein, aber sie stammten von mir zu Hause.«
»Ist es weit bis zu deinem Zuhause?«
»Zwei Tage Fußmarsch, in dieser Richtung. Nein …« Rokia blickte nach oben und suchte die Sterne, denen sie letzte Nacht gefolgt war. Als sie sie gefunden hatte, korrigierte sie sich: »Nein, in dieser Richtung.«
Der Mann mit dem bemalten Gesicht kraulte seinen Wüstenfuchs. »Aber wir wissen nicht, was dort ist, stimmt's, Raogo?«
»Dort ist die Falaise . Und mein Dorf.«
»Gehörst du zum Volk der Dogon ?«
»Ja, und du?«
»Ich bin ein Bororo , einer dieser sympathischen Reisenden in der Wüste«, erklärte der Mann und zeigte auf seine Gesichtsbemalung. Dann verdrehte er die Augen, bis er schielte, um besonders komisch auszusehen: »Sieht man das nicht?«
Rokia kicherte. Und der Fennek wedelte mit dem Schwanz.
»Also, eins ist mir noch ein Rätsel …«, fuhr Ayad fort. »Was macht ein kleines Dogon -Mädchen wie du denn zwei Tage Fußmarsch von seinem Dorf entfernt?«
»Oh …«, Rokia nahm einen großen Schluck Tee, »das ist eine lange Geschichte. Ich suche meinen Großvater. Und um ihn zu finden, muss ich bis zur Stadt aus Sand gehen.«
Ayad musste prusten und gab einen Sprühregen aus Tee von sich. Dann hustete er geräuschvoll und stand auf, um sich zu beruhigen.
»Habe ich denn etwas so Merkwürdiges gesagt?«, fragte Rokia den Fuchs.
Ayad breitete die Arme aus, wie ein Vogel, der sein Gefieder trocknen muss. Allmählich ließ auch sein Husten nach. »Meinst du das ernst oder hast du nur einen Scherz gemacht?«, fragte er, sobald er wieder zu Atem kam.
»Ich habe das ganz ernst gemeint«, antwortete Rokia. »Ist das denn so seltsam?«
»Nein, aber … es ist nicht gerade leicht … bis dahin zu gelangen!«
»Weißt du zufällig, wo die Stadt liegt?«
»Ob ich das weiß? Aber natürlich weiß ich das.«
Ayad kratzte sich geräuschvoll im Nacken. Dabei schwankte seine komische Kopfbedeckung aus Spiegeln und blieb schief über seiner Stirn hängen. »Sie liegt … ah ja. Also, sie liegt … Hmm …« Er ließ seine runden Augen über das Lager schweifen, dann zeigte er nach rechts: »Die Stadt aus Sand ist … genau …«
Raogo knurrte leise auf, worauf Ayad sofort die Richtung änderte: »Dort drüben. Großartig«, bekräftigte er mit einem selbstsicheren Lächeln. Die Ornamente auf dem Gesicht des Mannes verstärkten seine Mimik noch.
»Und ist es sehr weit?«, fragte Rokia.
Ayads Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln: »Kommt darauf an, wie du dich fortbewegst. Mit einem motorisierten Fahrzeug kannst du die Stadt über die Karawanenstraße in einem Tag erreichen. Zu Fuß dauert es mindestens eine Woche, würde ich sagen. Wenn du dagegen zwei solche Viecher hast wie ich …«, dabei wies er mit dem bemalten Kinn auf die beiden
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