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Stadt aus Trug und Schatten

Stadt aus Trug und Schatten

Titel: Stadt aus Trug und Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechthild Gläser
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sinken.
    Was dachte Marian sich nur? Was wollte er hier? Und was fiel ihm ein, so mit mir zu reden? Auf keinen Fall würde ich mich von ihm herumkommandieren lassen, beschloss ich. Das hier war immer noch mein reales, normales Leben. Mein Mädelsabend mit Wiebke. Es durfte doch wohl nicht wahr sein, dass sich nur wegen dieser seltsamen Schattengeschichte plötzlich alles änderte! Wenigstens der Tag musste doch weiterhin mir gehören, oder etwa nicht? Wenn ich heute nach Hause kam, würde ich Marian schon verklickern, was ich davon hielt, wenn Schattengestalten einfach so im Zimmer meiner besten Freundin auftauchten.
    Tatsächlich bekam ich schon kurz darauf die Gelegenheit, Marian die Meinung zu sagen, denn ich traf ihn (diesmal den echten) vor Wiebkes Haustür, als ich mich eine halbe Stunde später auf den Heimweg machte, nachdem Wiebke beim Abspann eingeschlafen war. Auch wenn ich selbst es mit dem Zubettgehen nicht gerade eilig hatte, war ich gegangen. Zu Hause gab es ohnehin noch einiges im Haushalt zu tun und eine Nachtschicht würde meinen Aufenthalt in Eisenheim, so hoffte ich, wunderbar verkürzen.
    »Na endlich«, schnaubte Marian. Er hatte seine Arme hinter dem Kopf verschränkt, wie er es häufig tat. Doch heute wirkte es gar nicht lässig, sondern angespannt. Verkrampft.
    Ich begrüßte ihn mit einem Nicken. »Nur damit du’s weißt: Ich gehe, weil ich es will. Das hat nichts mit deinem Auftritt zu tun. Und den Weg nach Hause finde ich auch allein.«
    Statt etwas zu erwidern, griff Marian nach meinem Handgelenk und zog mich mit versteinerten Zügen in den Park auf der gegenüberliegenden Straßenseite.
    »Hey!«, rief ich und wollte mich losmachen, was mir natürlich nicht gelang. »Du tust mir weh!«
    Doch Marian reagierte nicht. Erst im Schutz einer Baumgruppe blieb er stehen und baute sich vor mir auf, ein Funkeln in den Augen. »Nachdem ich heute den ganzen Tag nach dir gesucht und mir Sorgen gemacht habe, werde ich dir jetzt beibringen, wie du dich verteidigen kannst«, erklärte er ohne Umschweife.
    »Aha«, sagte ich und reckte das Kinn. »Da bin ich ja erleichtert.« Ich schnitt eine Grimasse.
    »Leider scheinst du die Lage vollkommen falsch einzuschätzen. Sie jagen dich, verstehst du das denn nicht? Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Späher deine Spur wieder aufnehmen und dich finden. Beim Grauen Bund bist du in Sicherheit, dort stehst du unter dem Schutz des Großmeisters. Zu Hause können sie dir auch nichts anhaben. Aber hier?« Er legte den Kopf in den Nacken und blickte in den Nachthimmel. »Jeden Augenblick könnte einer der Schattenreiter auftauchen. Und glaub mir, obwohl sie für den Kanzler und damit ja indirekt auch für den Fürsten der Schattenwelt arbeiten, genau wie der Graue Bund: Sie können deutlich ungemütlicher werden. Nicht umsonst fürchtet man sie in beiden Welten.«
    Bei diesen Worten lief mir ein Schauer über den Rücken. Ich dachte an Amadés Narben und den Mann auf dem Platz vor den Fabriken. Ich erzitterte. Nein, es stimmte, ich hatte mir überhaupt keine Gedanken mehr um die geflügelten Pferde gemacht. Marian hatte recht.
    Auch ich sah nun nach oben in die Dunkelheit und spürte plötzlich, wie Marian von hinten seine Arme um meine Schultern schlang. Einen Moment lang hüllte mich die Wärme seines Körpers ein, ich fühlte seinen Atem in der Halsbeuge und seine sich hebende und senkende Brust an meinen Schulterblättern. Für etwa eine Sekunde standen wir so da, dann versteifte ich mich. Marian seufzte und auch seine Berührung veränderte sich, wurde weniger … zärtlich.
    »Okay«, sagte er gleich neben meinem Ohr. »Als Erstes musst du lernen, dich von deinem Schatten zu trennen. Das Ganze ist eine reine Kopfsache. Stell dir vor, du würdest einen Schritt nach vorn machen. Und dann tu es auch, allerdings ohne deine Beine zu bewegen«, erklärte er. »Am Anfang wird es leichter sein, wenn ich deinen Körper halte. Also gut, bist du bereit?«
    Ich nickte und schloss die Augen, während Marians Griff fester wurde. »Gut, dann stell es dir jetzt vor. Stell dir vor, wie du die Muskeln deiner Beine anspannst, wie du erst den einen Fuß hebst und dann den anderen.«
    Marians Atem streifte meine Wange. Ich konzentrierte mich, dachte an den Schritt, fühlte das Gras unter meinen Fußsohlen und die Leere vor mir. Dann tat ich es … nicht. Mein Körper wurde zurückgehalten.
    Ich öffnete die Augen. »Mist.«
    »Versuch es gleich noch einmal«, sagte Marian und

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