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Stadt der blauen Paläste

Stadt der blauen Paläste

Titel: Stadt der blauen Paläste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bayer
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gewiss nicht sagen, dass mir dieses Geschäft nichts genutzt hat. Hier«, er deutete an sich herunter, zog dann einen prall gefüllten Beutel hervor, »alles selbst verdiente Dukaten, und hier meine Kleider, meine Schuhe.«
    »Vom Blut der Sklaven gekauft«, sagte Crestina zornig.
    »Und, was ist in Eurem Palazzo? Gibt es da etwa keine Sklaven?«
    »Sie gehören nicht mir, sie gehören Margarete.«
    »Jaja, als ob das von irgendwelcher Bedeutung wäre, wem sie gehören. Vornehme Damen lassen sich von ihren Sklaven zu ihren Liebhabern fahren, das kannst du fast auf jedem Bild sehen, das gemalt wird. Alles vom Blut der Sklaven, oder? Und meinen heutigen Reichtum verdanke ich deinem Mann. Nie hätte ich mir eine Reise leisten können zu den Orten, die mich von jeher interessierten, wenn er mich damals nicht über die Meere geschickt hätte. Was als bösartige Verbannung für immer gedacht war, wurde mein größtes Glück. Und nicht ich wurde den Haifischen zum Fraß geliefert, sondern vermutlich dein Mann.«
    »Renzo ist in Konstantinopel begraben«, sagte Crestina steif. »Er starb am Fieber. Und nicht auf einem Schiff, sondern in der Stadt, in der wir lebten. Bei der Ausübung seiner Geschäfte.«
    »Geschäfte!«, lachte Bartolomeo. »Und bei dem ›Fieber‹, wie es damals in bestimmten Häusern grassierte, das Franzosenfieber, die Blattern oder was sonst alles. Was ich natürlich nur vom Hörensagen weiß, denn ich war schließlich nicht dabei. Aber es hieß, dass es alles gewesen sein konnte, bis hin zur Lepra.«
    Sie starrten ihn alle verblüfft an.
    »Mich hat er nie mitgenommen in diese Häuser, nicht ein einziges Mal«, beschwerte sich Ludovico, »weil ich angeblich dafür viel zu jung war. Ich hatte in Konstantinopel einen Hauslehrer und durfte doppelte Buchführung lernen, weil das nun eben mal so Usus ist in Venedig. Ganz gleich, ob man sie braucht oder nicht.«
    »Als du deinen Vater in diese Häuser begleiten wolltest, warst du elf. Es war dein Vater, der dagegen war, dass du ihn begleitest. Er war zwar derjenige, der wollte, dass du zum Mann wirst, aber ganz gewiss nicht so früh.«
    »Ja, er wollte das. Du nicht«, sagte Ludovico störrisch.
    »Vielleicht könnten wir doch versuchen, jetzt unser Geschäft fortzusetzen«, sagte Clemens peinlich berührt. »Das hier sind wohl kaum Dinge, die uns dabei weiterhelfen.«
    Ludovico drehte sich um und verließ rennend das Schiff.
    »Eines lass dir gesagt sein«, sagte Crestina und blickte Bartolomeo zornig an. »Diesen Sohn bekommst du nicht, so wenig, wie du mich bekommen hast.«
    Dann wandte sie sich um, im Rücken das Lachen Bartolomeos.
    »Wir werden sehen. Wir werden sehen.«
    Renzos Tod war ungeklärt geblieben, auch wenn er am Ende noch einen Namen, einen möglichen zumindest, erhielt. Das war das Einzige, was an Bartolomeos Aussage seine Richtigkeit hatte. Aber Lepra war es ganz gewiss nicht gewesen. Was es nun wirklich gewesen war, darauf konnten sich die verschiedenen Männer, ein Herbarius, ein Pigmentarius, zwei Venenschlager, ein Physicus und ein echter Medicus, nicht einigen. Sie nahmen ihre Gulden und verließen das Haus. Manche versprachen wiederzukommen, aber sie kamen nie.
    Crestina erinnerte sich an diese Wochen mit Grauen. Sie erinnerte sich, wie sie sich dem ›Abschneiden mit dem Messer‹, das als letzte Möglichkeit galt, widersetzt hatte und für ihren Mann kämpfte.
    Begonnen hatte es, als Renzo von der Frankfurter Messe zurückgekehrt war, mit Schüttelfrost und Schmerzen im Herzbereich. Der erste Medicus, den Crestina zu Hilfe rief, sagte, dass er von dieser Krankheit noch nie etwas gehört hätte. Sie sei unspezifisch, sei bei den großen Ärzten der Vergangenheit nicht beschrieben. Und sie passe in das Krankheitsbild vieler Krankheiten. Vermutlich ginge die Sache auch so rasch wieder weg, wie sie gekommen sei. Mit einem Aderlass, der nie schaden könne, und unter Zurücklassung von diversen Salben und Kräutersäckchen, hatte er sich verabschiedet.
    Er weigerte sich, ein zweites Mal zu kommen, nachdem Renzo bereits am nächsten Tag hohes Fieber hatte. Sofort geisterte die Idee der Pest durch die Räume. Damit brauchte es keine weitere Beurteilung, hatte der Mann gesagt. Die Beulen wolle er schon gleich gar nicht sehen, nicht einmal von der Tür aus. Und in drei Tagen sei ohnehin alles vorbei. Und vielleicht seien es auch die Pocken.
    Aber es kamen keine Beulen. Und es dauerte länger als drei Tage.
    Als klar war, dass es sich weder

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