Stadt der blauen Paläste
Männern hindurch, deren Gespräche sich um Geschäfte der verschiedensten Art drehten: monti di pietà, Pfanddarlehen, Großkredite, Wucher, Schuldscheine.
Crestina atmete erleichtert auf, als sie endlich eine Tür entdeckte, die zwar auch keine Acht auf ihrem Schild aufwies, aber immerhin geöffnet war. Bevor sie jedoch klopfen konnte, wusste sie bereits, dass die Leute in dem Zimmer, die im breitesten Schwäbisch redeten – das sie von ihrem Aufenthalt in Deutschland her kannte –, ganz gewiss nichts mit den Nürnberger Helmbrechts zu tun haben konnten.
»I houn halt denk, dass i da glei gar net nagang, weil mei Italienisch schlemmer isch als d'Fildersprach.«
»Ond näemer ka deutsch«, fügte dann einer der Männer entrüstet hinzu.
Außerdem roch es nach Sauerkraut und nicht nach dem Duft des Orients.
Sie stieg enttäuscht in den dritten Stock hinauf, zwei Ballenbinder drückten sie rüde an die Brüstung des Geländers, und Gerüche schien es hier überhaupt keine zu geben. Wieder ging sie von Tür zu Tür, um diese vermutete Acht zu finden, doch dann hörte sie plötzlich Schritte hinter sich.
»Sucht Ihr jemand Bestimmtes?«, fragte ein Mann, der vor einer der Türen gestanden hatte und aufmerksam in die Runde blickte.
Crestina atmete erleichtert auf.
»Ich suche meine Freundin, sie wohnt in Kammern mit einer Acht auf der Tür, wenn ich das recht in Erinnerung habe.«
Der Mann sah sie prüfend an und, wie es ihr schien, ein wenig betroffen.
»Und wie heißt Eure Freundin, woher stammt sie?«, fragte er dann höflich.
Crestina erklärte bereitwillig, dass sie zu Margarete Helmbrecht wolle, deren Familie aus Nürnberg stamme und die hier im fondaco tedesco ihre Kammern habe.
Der Mann schien aufzuatmen.
»Ich bringe Euch zu ihr«, sagte er dann bereitwillig. »Ihr habt die Nummer gewiss übersehen.«
»Oh, ich möchte Euch nicht aufhalten«, wehrte Crestina ab. »Ich frage mich schon durch.«
Der Mann lächelte leicht und meinte, es sei besser, wenn er sie hinbringe, damit sie sich nicht noch einmal verlaufe.
Sie stiegen die beiden Stockwerke wieder hinunter, gingen einen Gang entlang und bogen um die Ecke, die in den vorderen Teil des fondaco tedesco führte, den sie bei ihrer Suche ausgespart hatte. Der Mann deutete auf eine Tür, die einen Spalt geöffnet war, aus dem laute Stimmen zu hören waren. Außerdem war endlich der versprochene Duft des Orients zu spüren.
»Es ist hier«, sagte Crestina erleichtert und bedankte sich herzlich. Sie ging auf die Tür zu. Der Mann blieb einen Schritt hinter ihr stehen.
»Ich höre bereits die Stimme meiner Freundin«, sagte sie irritiert, als der Mann versuchte, sich weiterhin an ihre Fersen zu heften.
»Sie werden ihn vermutlich wieder einmal gefälscht haben, Duschkani ist es auf jeden Fall nicht«, hörte sie dann eine Stimme, die ihr bekannt vorkam. Von der Person sah sie allerdings hinter einer gigantischen Kiste nur einen kleinen Ausschnitt: Ein fülliger Mann, dessen Rock aussah, als wolle er in Kürze aus den Nähten platzen. Der Mann, zu dem die Stimme gehörte, hatte die Nase tief in eine winzige Schüssel vergraben und versuchte etwas einzuatmen, wobei es sich scheinbar um den Duft von Safran handelte.
Noch bevor sie die nächste Stimme zuordnen konnte, hörte sie unbändiges Gelächter.
»Stufe!«, prustete eine Männerstimme, »Stufe! Was für ein Wort! Es heißt also noch immer so wie damals, als ich vor zwanzig Jahren hier war.«
Crestina blickte sich um, der Mann, der sie hergebracht hatte, stand noch immer hinter ihr und machte ihr jetzt mit einer Handbewegung klar, dass sie weitergehen solle. Sie zögerte, der Mann hinter ihr räusperte sich. Dann machte sie einen Schritt nach vorne, sodass sie den Raum wie eine Bühne vor sich hatte. Sie sah drei Personen, die verwundert aufblickten: eine Frau, zwei Männer. Sie gebärdeten sich wie eine Schauspielgruppe bei der Commedia dell'Arte. Der Mann, der auf einem Stuhl saß und sich vor Vergnügen auf den Schenkel schlug und dabei ein Flakon durch den Raum schwenkte, aus dem ein betörender Duft aufstieg, konnte nur Schreck sein, der Bruder von Margaretes Mutter. Seine gewaltige Perücke war wie üblich leicht nach vorne verrutscht, das Gesicht vom Alkohol noch aufgedunsener als damals, als sie ihn in Nürnberg kennen gelernt hatte. Sein Gewand wirkte auch jetzt wieder, als habe ein Maler den Rest seiner Palette auf ihm verteilt, ohne sich darum zu kümmern, was dabei entstehen
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