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Stadt der Engel

Stadt der Engel

Titel: Stadt der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Wolf
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evil men. Da waren wir uns einig. Sie werde mit ihrer Arbeit niemals reich werden. Reich werde man nur durch Betrug und Ausbeutung anderer Menschen.
    Beim Abschied sagte sie: You are a clever pupil. Lange hatte kein Lob mich so gefreut.
    Der gläserne Außenaufzug vom Huntley Hotel war wieder in Ordnung, Peter Gutman und ich wollten noch einmal hinauffahren, die dünne Margarita trinken, die spektakuläre Aussicht genießen, uns an den Tisch neben die high school teens setzen, drei Mädchen mit langen Haaren und verführerischenGesten, fünf Jungen, unterschiedlich angeberisch, alle etwa siebzehn, unglaublich laut, die Mädchen kreischten bei jeder Gelegenheit, alle benahmen sich, als gehöre ihnen, den Mittelklasse-Weißen, die Welt. Kein Mensch achtete auf den Sonnenuntergang.
    Peter Gutman sagte, wie es denn wäre, wenn ich einmal meine Beobachtungen über meinen Aufenthalt in diesem Amerika verarbeiten würde. Eine einmalige Chance, meinte er. Sie sagen es, Monsieur. Verfremdet natürlich, sagte Peter Gutman, das muß ich dir ja nicht erzählen. Aber ganz rücksichtslos, gegenüber allem Personal. Ich fragte, ob er selbst nicht meine Rücksichtslosigkeit fürchten würde. Und wenn schon, sagte Peter Gutman, er glaube nicht, daß ein Autor sich beim Schreiben Rücksichten auferlegen dürfe. Ich sagte, es sei ein unlösbarer Konflikt, und um den abzumildern, habe ich es mir zum Prinzip gemacht, mich weniger zu schonen als die anderen. Und wenn auch das eine Selbsttäuschung sei?
    Sich wiederholende Dialoge, mit wechselnden Partnern.

    mir ist klargeworden, dass ich mich als exempel nehme, also von mir absehe, indem ich mich ganz auf mich zu konzentrieren scheine. eine merkwürdige gegenläufige bewegung.

    Ob ich eigentlich wisse, daß Orson Welles, eben weil er in seinem Film über den mächtigen Mr. Hearst nicht rücksichtsvoll genug vorgegangen sei, bei dem keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen habe? Er läßt doch den sterbenden Kane jenes Wort sagen, das zum Schlüsselwort des ganzen Films wird: »Rosebud«. So soll – hör zu, das habe ich von einem amerikanischen Gewährsmann – Hearst selbst »a certain piece of the anatomy of his love«, einer berühmten Schauspielerin, genannt haben, und er soll außer sich gewesen sein, daß dieses innerste Geheimnis in dem Orson-Welles-Film breitgetreten wurde. Er hat dafür gesorgt, daß der Film in den Kinos nicht gespieltwurde, und angeblich sämtliche Kopien aufkaufen und vernichten lassen, und keine der Zeitungen des Hearst-Konzerns durfte ihn auch nur erwähnen. Orson Welles hat sich mit diesem Film übermächtige Feinde gemacht, und er hat später nichts Gleichwertiges mehr geschaffen.
    Ich fragte Peter Gutman, ob er sich vorstellen könne, daß man begierig sei, soviel wie möglich über die Natur des Menschen zu erfahren, und dafür die Nachteile in Kauf nehme, die einem daraus erwüchsen. Das Innenfutter vom overcoat des Dr. Freud in seine Bestandteile zerlegen, verstehst du? So wie es Forscher gibt, die keine Ruhe finden, wenn sie nicht dahinterkommen, aus was für immer noch kleineren Teilchen unser Universum besteht.
    Kann ich mir vorstellen, sagte Peter Gutman.
    Und vielleicht hat mir das, was mich in letzter Zeit umgetrieben hat, widerfahren müssen, um näher an dieses Wissen heranzukommen. Auf dem direkten Weg, über die eigene Haut.
    Wir sahen durch die riesigen Fenster hinaus in die einfallende Dämmerung, die schnell in Dunkelheit überging. Mir kam es so vor, als witsche eine Gestalt vorbei, in der ich Angelina, meinen Engel, erkennen wollte, es hätte mich nicht verwundert, ich war mir nicht sicher.
    Aber als wir in dem gläsernen Aufzug hinunterfuhren, stand, oder schwebte? Angelina neben mir. Woher wußte sie immer, wann sie gebraucht wurde? Sie schien mir heute besonders spöttisch zu sein.
    Glaubst du an Engel? fragte ich Peter Gutman.
    He, Madam, sagte er. Was ist los?
    Antworte doch einfach.
    Also gut. Ich glaube an die Wirkungsmacht des Geistes. Daß das wirklich wird, woran man fest glaubt. Wenn man an Gott glaubt, dann bildet er sich eben, und dann wirken die Gebete an ihn.
    Der Glaube versetzt Berge?
    Jedenfalls gibt er dem Glaubenden die Zuversicht, daß erBerge versetzt. Und es ist doch gut möglich, daß es in der Stadt der Engel von Engeln wimmelt.
    Auch von schwarzen Engeln, Monsieur?
    Was für eine Frage. Wo die Engel geschaffen werden, ist man nicht rassistisch.
    Es war ein erprobtes Ritual, das sich abspielte, wenn unsere

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