Stadt der Engel
scholar-Gemeinde einen Ausflug vorhatte. Hearst Castle war angesagt. Der Bus hielt vor dem ms. victoria , nach und nach erschienen die Mitfahrenden in der immer gleichen Reihenfolge, sehr pünktlich natürlich die Leute vom staff, für die der Ausflug Arbeit war, ich meistens im Mittelfeld, als letzte ohne die Spur eines schlechten Gewissens Ria und Pintus, oder auch Peter Gutman, der mit unbeteiligter Miene heranschlenderte und den niemand zu kritisieren wagte. Der Fahrer verstaute unsere Taschen in dem Gepäckfach unten im Bus. Ich beobachtete, wer sich zu wem setzte, die Ehepaare blieben zusammen, zuerst saßen die Singles allein, auch ich, es war mir recht. Ich wollte noch einmal links und rechts die Ausblicke der berühmten Küstenstraße 101 auf mich wirken lassen, wo die christlichen Missionare im Abstand von Tagesreisen ihre missions errichtet hatten, um die friedfertigen Indianer des Hinterlands mit allen Mitteln zum christlichen Glauben zu bekehren. Malibu zog vorbei, wo in diesen Tagen, da ich in den alten Aufzeichnungen lese, fast unbeherrschbare Feuer wüten. Santa Barbara.
Abzweigung zur Ranch des Regisseurs von »Dallas« und »Denver Clan«, der sich von seinem irrsinnigen Reichtum ein schönes Stück Land gekauft hatte, eine Ranch eben, ein Zug der Zeit, wie wir von Greg erfuhren, unserem Reiseleiter, der wie immer mit seinem Mikrophon neben dem Fahrersitz Platz genommen hatte. Hier in der Nähe sei auch die Ranch von Ronald Reagan, und wenn er während seiner Präsidentenzeit mit seiner Regierungsmaschine dort gelandet sei, dann seien in der Nachbarschaft die Garagentüren auf- und zugegangen, und die übrige Elektronik in den Häusern habe verrückt gespielt,weil sein Flugzeug so vollgestopft mit High-Tech gewesen sei.
Daß mein Kunstgeschmack altmodisch ist, war mir nichts Neues, die postmoderne Kunst, die der »Dallas«-Regisseur gesammelt hatte und in einem bunkerartigen Gebäude, das ein Hochsicherheitstrakt war, ausstellte, berührte mich nicht, riesige Leinwände, grelle Farben, mit breiten Pinseln aufgetragen. Oder eben einfarbig. Monochrom, sagte Lutz, unser Kunstwissenschaftler, der mich führte: zur Zeit besonders »in«. Passen sich dem Zeitgeschmack an und erzielen Phantasiepreise. Es gab natürlich mehrere uniformierte Sicherheitsbeamte, die unsere Schritte scharf beobachteten, und zwei Kunsthistorikerinnen, ausgeliehen von der nächstgelegenen Universität, die ihres Herren Liedlein sangen: Once or twice a month he will spend a weekend at his ranch.
Weißt du, woran mich das erinnert? sagte Lutz. An die Endphase des Römischen Reiches. Die wußten auch nicht, daß sie in einer Endphase lebten. – Das müssen sie auch nicht wissen, wenn es ihnen so gutgeht, sagte ich. Warum sollen sie sich ihr schönes Leben mit Gedanken an eine trübe Zukunft verderben, die sie doch nicht ändern können.
Wieder der Bus. Du schläfst und versäumst die schönsten Landschaften, sagte Peter Gutman. Wir hatten das Tagesziel erreicht, den Ort San Simeon, das Cavalier Inn, ein passables Hotel nahe am Ozean, gepflegte Zimmer. Ich holte nur meinen Badeanzug heraus und ging in dem komfortablen beheizten Swimmingpool des Hotels schwimmen. Zuerst konnte ich vor Schmerzen kaum die Glieder bewegen, nach und nach wurden meine Gelenke beweglicher, weicher. Wenn ich mich auf dem Rücken durchs Wasser gleiten ließ, sah ich direkt in den Himmel, der war jetzt, am späten Nachmittag, noch unglaublich blau. Die Kronen einiger Palmen schoben sich ins Blickfeld. Ich war allein im Pool, ich durchkreuzte, durchquerte ihn, über Wasser, unter Wasser, es war wie ein Reinigungsritual.
Wie gerne ich immer geschwommen bin. Euer heimatlicherFluß war bei eurer Stadt schon ziemlich breit, nicht weit vor seiner Mündung in den größeren Fluß, der Oder hieß und in die Ostsee mündete. Er roch auf eine unnachahmliche Weise, nie wieder hat ein Fluß so gerochen. Die Badeanstalt, in der du beim alten Bademeister Wegner schwimmen lerntest, war aus Holz in den Fluß gebaut. Meister Wegner nahm dich an die Angel und zog dich gegen die Strömung, bis heute kann ich den Zug um den Brustkorb spüren. Wenn man eine knapp bemessene Viertelstunde im großen Becken herumschwimmen konnte, hatte man sich »frei« geschwommen, ein schöner Ausdruck. Dann legte man sein Handtuch lässig neben das der anderen Schwimmer auf die heißen Holzplanken und ließ sich zum Sonnen auf dem Bauch nieder. Und im Winter gab es den regulären
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