Stadt der Engel
Abstecher in eine Landschaft, die uns sprachlos machte, wo sich tief unten der San Juan River schlängelte, gerieten wir in den Bannkreis von Monument Valley, dem bizarren Bergmassiv, das am Horizont steht, ein Menetekel, auf das wir lange zufuhren, ehe wir es schließlich erreichten und, nachdem wir am Eingang jeder fünf Dollar gezahlt hatten, hinauffahren konnten zum Visitors’ Center, wo Dutzende von Autos den Parkplatz besetzten und wir bedrängt wurden von Navajo-Mädchen und jungen Männern, die eine Zweieinhalb- oder Eineinhalbstundentour anboten.
Wir waren müde, fühlten aber die Verpflichtung, nichts zu versäumen, so nahmen wir die kürzere Tour, wieder auf einem kleinen offenen Truck, den eine junge Frau fuhr, wie die meisten Navajo-Frauen sehr dick. Zu unserer Erleichterung steuerte sie das alte Gefährt recht vorsichtig über die schlimmen Wege von Monument Valley, das wir im besten Abendlicht sahen, bizarre Figuren in der untergehenden Sonne, wieder in einem unglaublichen Rot. Alle Steine hatten Namen, erfuhren wir: Die Fausthandschuhe, Der Elefant, Das Kamel, Die drei Schwestern. Der zweite Teil der Fahrt, im Schatten und bei Gegenwind, wurde wieder bitter kalt, diesmal würden wir uns sicher erkälten, ein Amerikaner aus Washington D. C. und seine Frau aus unserer Gruppe teilten unsere Befürchtungen, die Lowis etwas beschwichtigen konnte, indem er von seinen geliebten Ingwercookies austeilte, nach seiner Überzeugung ein Heilmittel gegen alle Krankheiten.
Hungrig kamen wir in Kayenta an, Wetherill Inn, ein von Navajo betriebenes Hotel, große Zimmer, blitzsauber. Um die Ecke, sagte man uns an der Rezeption, bekämen wir in einem Restaurant auch Navajo-Kost. Das war dann, wie überall, etwas Mexikanisches, fried bread, mit Bohnen drauf, darüber Salat. Enttäuschend.
Am nächsten Morgen, beim Frühstück, erlebten wir wieder, daß die Kellnerinnen nicht verstehen konnten, was wir mit unseren Bestellungen meinten. Sie brachten mirschließlich French Toast, und ich war damit zufrieden. Wir deckten uns noch mit Trockenfleisch ein und fuhren los in Richtung Hopi-Reservation, die, wie wir wußten, auf einer Hochebene lag, eingeschlossen von dem viel größeren Navajo-Land. Die Stämme seien sich nicht grün, hörten wir. Dies war, wie ich später herausfand, eine starke Untertreibung. Der Streit zwischen den seßhaften friedliebenden Hopi und den eindringenden nomadischen Navajo zog sich über Jahrhunderte hin und ging um Land und Eigentum.
Ich versuche, mich meiner Gefühle zu erinnern, sie waren zwiespältig. Interesse, Neugier überwogen, aber ein Mißbehagen konnte ich nicht ganz unterdrücken, weil nun auch wir uns in den Zuschauerstrom einreihen wollten, der ein altes, durch die Eroberer und deren fremde Zivilisation geschädigtes Volk besichtigte, wie man Tiere im Zoo besichtigt. Lowis hoffte, den alten Häuptling zu finden, der im vorigen Jahr durch Europa gefahren war, um Hilfe zu finden und Geld für sein Volk zu sammeln. Dabei war er Lowis, dem Schweizer, begegnet.
Wir fuhren bergauf. Der Boden wurde immer kärglicher, es sei ein Rätsel für Ethnologen, sagte Lowis, warum die Hopi sich gerade hier angesiedelt hätten. Nur noch Wacholderbüsche und trockenes Gras. Wir nahmen uns eine halbe Stunde Zeit, um unsere Reisenotizen zu vervollständigen. Lowis gab uns ein paar Informationen über die frühe Siedlungsgeschichte der Hopi, über die Kämpfe gegen die spanischen Eroberer und die späteren Amerikaner, er zitierte uns einen Buchtitel: »When Jesus came, the Corn Mothers went away«.
Dann ging es direkt ins Hopi-Land. Auf der Second Mesa, der zweiten Hochebene, fanden wir das Hopi Cultural Center, eine ockerfarbene Motelanlage, zweistöckig, mehrere Gebäude wie in einer arabischen Stadt ineinandergebaut. In der Rezeption empfing uns eine gräßliche Dekoration: Happy Easter! Lowis wollte gleich wieder umkehren. Aber da der andere Ort, wo wir Zimmer gebucht hatten, uns als »depressing« beschrieben worden war, checkten wir doch ein. Schöne Zimmer imzweiten Stock am Ende des Flurs. Sanna rief mich in ihr Zimmer, einen Schluck Whiskey trinken, weil wir erschöpft waren. Lowis war seit langem von der Geschichte der Hopi fasziniert, besonders von ihren Mythen und Ritualen, war aber noch nie im Hopi-Land gewesen. Er war aufgeregt und trieb uns an.
Wir fuhren in Richtung Hotevilla, einem Hopi-Dorf, das auf der Third Mesa liegt und wo der Häuptling James Koots zu finden sein sollte, den
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