Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Titel: Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
Vom Netzwerk:
Sein schwarzes, schulterlanges Haar schwang beim Gehen mit und schluckte den Sonnenschein. Er war gebräunt, und sein Gesicht … Er hatte etwas sehr Interessantes an sich. Für sich genommen, waren seine Gesichtszüge nicht bemerkenswert, doch zusammen ergaben sie etwas äußerst Attraktives. Obwohl er nicht im klassischen Sinne gut aussehend war, zog er auf geradezu magnetische Weise die Blicke auf sich, und seine tiefblauen Augen waren absolut hinreißend.
    Wenn man Raphael sah, dachte man unwillkürlich an Sex. Er war nicht mal mein Typ, aber dennoch ging es mir so.
    Er blieb zwei Schritte vor unserem Tisch stehen. »Hallo, Andrea. Hallo, Kate. Ich hatte nicht erwartet, euch hier zu sehen.«
    Ich drehte mich wieder zum Tisch um und hörte meine Wirbelsäule knacken. Das würde mir eine Lehre sein.
    »Setz dich«, zischte Andrea.
    Raphael stellte mit einer Hand vorsichtig seinen Rucksack ab und nahm auf dem einzigen noch freien Stuhl Platz. Er schien ein wenig nervös. Andrea sah auf die Straße hinaus. Die beiden wirkten vollkommen gegensätzlich: Andrea war keine eins sechzig groß, hatte kurzes, blondes Haar und nur leicht gebräunte Haut, wohingegen Raphael über eins achtzig war, schwarzhaarig und milchkaffeebraun.
    »Was hast du denn in dem Rucksack da?«, fragte ich – Smalltalk-Profi, der ich bin.
    »Einen tragbaren M-Scanner«, sagte Raphael. »Den habe ich aus der Werkstatt abgeholt. Seit dem Flair war er da. Erst jetzt, als die Woge der Magie kam, konnten sie testen, ob er wieder funktioniert.«
    Bei M-Scannern war »tragbar« ein ziemlich weit gefasster Begriff. Der kleinste dieser Scanner wog circa vierzig Kilo. Da war es doch schön, eine Werhyäne zu sein.
    Andrea erhob sich. »Ich kümmere mich mal ums Dessert. Möchtest du irgendwas, Kate?«
    »Nö«, sagte ich.
    »Und du?«
    »Nein, vielen Dank«, sagte Raphael.
    Sie ging.
    Raphael sah mich an. »Was mache ich falsch?«
    Ich hielt inne, ein Stück Fladenbrot in der Hand. »Das fragst du mich?«
    »Ich habe sonst niemanden, den ich das fragen könnte. Du kennst sie. Du bist mit ihr befreundet.«
    »Raphael, ich habe nie in meinem Leben einen festen Freund gehabt. Es ist über ein Jahr her, dass ich das letzte Mal Sex hatte. Und du weißt doch, wie mein letzter Versuch, so etwas wie ein Liebesleben zu haben, ausgegangen ist. Wenn ich mich recht erinnere, warst du dabei.«
    »Ja. Ich war der mit der Schrotflinte.«
    Ich nickte. »Dann sollten wir uns eigentlich darauf einigen können, dass ich der letzte Mensch bin, den man in Liebesdingen um Rat fragen sollte. Ich weiß nicht, was ich dir sagen soll.«
    »Du kennst Andrea.«
    »So gut nun auch wieder nicht.«
    Raphael guckte geknickt. »So lange habe ich noch nie gebraucht, um jemanden rumzukriegen«, sagte er leise.
    Ich konnte ihm das nachfühlen. Er schmachtete Andrea nun schon seit über zwei Monaten an. Für eine Werhyäne – oder eine Bouda , wie sie sich auch nannten – war ein so langes Liebeswerben beispiellos. Boudas waren abenteuerlustig. Sex spielte bei ihnen eine große Rolle: Sie trieben es ständig und mit wechselnden Partnern. Das Bouda-Rudel wurde von Frauen regiert, und soweit ich das mitbekommen hatte, war Raphael recht beliebt, sowohl seiner geduldigen Art wegen als auch, weil er ein Sohn von Tante B war, dem Alphatier der Boudas. Zudem sorgte sein Aussehen dafür, dass er Nichtgestaltwandlerfrauen nicht allzu lange nachstellen musste, ehe sie ihn probehalber ranließen.
    Dummerweise jedoch war Andrea weder eine Nichtgestaltwandlerfrau noch eine Bouda. Der Lyc-V, der Virus, der für das Gestaltwandler-Phänomen verantwortlich war, befiel Tiere und Menschen. In sehr seltenen Fällen entstanden dabei Tier-Were: Wesen, die als Tier geboren wurden und später die Fähigkeit erlangten, sich in einen Menschen zu verwandeln. Die meisten Tier-Were erwiesen sich als unfruchtbar, waren geistig behindert und schwer gewalttätig, doch ganz selten einmal vermochte einer in der menschlichen Gesellschaft gerade so gut zu funktionieren, dass er nicht auf der Stelle getötet wurde. Und in noch selteneren Fällen pflanzten sich diese Wesen fort.
    Andrea war ein Tiernachfahre, das Kind eines Hyänenwers und einer Bouda. Sie verheimlichte das vor jedermann: vor den Gestaltwandlern, denn einige von ihnen würden ihr aufgrund eines alten, tief sitzenden Vorurteils nach dem Leben trachten; und vor dem Orden, denn wenn dort herauskam, dass sie eine Gestaltwandlerin war, würde man sie auf der Stelle

Weitere Kostenlose Bücher