Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
töten, nur um einem Publikum Nervenkitzel zu bereiten. Und ich würde auch niemals jemanden nur so zum Vergnügen malträtieren.«
Saiman zuckte die Achseln. »Du tötest, um zu überleben oder um dein törichtes Gewissen zu beruhigen. Die da unten in der Grube töten des Geldes wegen oder für die Befriedigung zu wissen, dass sie besser sind als der Leichnam, der nun vor ihnen liegt. Im Kern sind alle unsere Beweggründe eigennützig, Kate. Altruismus ist nur ein Nebel, den die Klugen verbreiten, um die Kräfte und Fähigkeiten der anderen nur umso besser ausnützen zu können. Weiter nichts.«
»Du erinnerst mich an einen Gott aus der griechischen Mythologie, Saiman. Du kennst kein Mitgefühl. Von der Welt außerhalb deines Egos machst du dir überhaupt keine Vorstellung. Wenn du etwas haben willst, glaubst du, dass du automatisch das Recht hast, es dir auch zu nehmen, wobei der Zweck die Mittel heiligt und es dir vollkommen gleichgültig ist, welche Schäden dabei angerichtet werden. An deiner Stelle wäre ich sehr vorsichtig. Die Objekte der Begierde dieser Götter – und auch ihre Freunde – sind immer gestorben wie die Fliegen. Letzten Endes saßen diese Götter immer ganze unglücklich und ganz alleine da.«
Saiman sah mich verblüfft an und verstummte für eine ganze Weile.
Kapitel 10
D ie Kämpfe folgten ohne Pause aufeinander und endeten viel öfter tödlich, als nötig gewesen wäre. Viel zu viel Blut, viel zu viel nacktes Grauen, viel zu viel Show. Und viel zu viel amateurhafte Begeisterung, von eiskalter Erfahrung niedergemetzelt. Immer mal wieder fragte mich Saiman, wer siegen würde, und ich antwortete, kurz angebunden. Ich wollte nur noch dort weg.
Wieder ertönte der Gong. Die Anzeigetafel wurde herabgelassen, und darauf stand: ARSEN / MART . -1200/+900. Arsen war der haushohe Favorit.
»Ich würde dir gern einen Job anbieten«, sagte Saiman.
Ich war schon zu angewidert, um noch Fassungslosigkeit aufbringen zu können. »Njet.«
»Es hätte nichts mit Sex zu tun.«
»No.«
»Bei sechs Kämpfen nacheinander hast du auf den Sieger getippt. Ich würde dich gern als Beraterin engagieren. Die Mitglieder des Hauses evaluieren vor jeder Veranstaltung die Kämpfer, um die Wettquoten festlegen zu können … «
»Nein.«
Mart betrat den Sandplatz. Er hatte den Trenchcoat abgelegt und trug nun nur noch sein enges schwarzes Outfit. Er bewegte sich ganz ruhig, ein dunkler, schlanker Schatten, sein blondes Haar der einzige Farbfleck. In den Händen hielt er zwei Schwerter, die wie in Stahl gefasste Sonnenstrahlen wirkten: ein klassisches Katana-Langschwert und ein kürzeres Wakizashi.
»Dreitausend pro Evaluation.«
Ich sah Saiman an. »Noch einmal: Nein.«
Ein tiefes Gebrüll dröhnte durch die Arena. Es begann leise, als gedehntes, kräftiges Brüllen aus einer nichtmenschlichen Kehle, wuchs dann zu einem Donnern an und ging schließlich in eine Kakophonie aus Schnauben und kurzen, spitzen Schreien über. Das Publikum verstummte. Ich griff hinter meine Schulter, aber mein Schwert war nicht da.
»Was ist das?«
Saiman strahlte vor Vergnügen. »Das ist Arsen.«
Eine riesenhafte Gestalt erschien in den schummrig erleuchteten Tiefen des Goldenen Tors. Langsam und schwerfällig trat sie bis an den Rand des Lichts. Ich erkannte monströse Schultern, einen breiten, muskulösen Oberkörper und einen großen Helm.
Der Mann von der Red Guard, der das Zauntor zur Grube offen hielt, blickte drein, als wäre er in diesem Moment gern woanders gewesen. Arsen brüllte noch einmal und galoppierte ins Licht. Der Wachmann knallte das Tor hinter ihm zu und verschwand.
Arsen stürmte in die Mitte der Arena, stieg dort voll in die Eisen, wobei er Sandfontänen aufwirbelte, und brüllte erneut. Die Zuschauer starrten ihn entsetzt an.
Er war über zwei Meter groß und mit harten Muskelpaketen bepackt, die seine kohlrabenschwarze Haut straff spannten. Sein kurzes Fell wuchs sich auf der Brust zu einem Büschel aus, lief dann als zarte Linie den Bauch hinab und wucherte am Unterleib ein wenig weiter, wobei es jedoch nicht vollständig verbergen konnte, dass er bestens bestückt war. Fellstreifen liefen außen an seinen Beinen und Armen hinauf und endeten auf seinem Stiernacken in einer buschigen Mähne. Zwei helle Hörner ragten aus seinem Schädel. Sein Gesicht war eine Mischung aus Mensch und Stier: eine Rinderschnauze, über der Menschenaugen unter einer wulstigen Stirn hervorblickten. Von seinem Unterkiefer
Weitere Kostenlose Bücher