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Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Titel: Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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›ein Loup-Junge‹, und das habe ich auch gesagt. Curran aber sagte: Nein. Er hat uns befohlen, den Jungen mitzunehmen. Ich dachte, der Mann ist doch wahnsinnig. Was für eine Scheiße dieser Junge durchgemacht hatte, und außerdem war er nicht mal mehr ein Mensch. Ich hab ihn angesehen und hab nicht gesehen, dass da vielleicht noch was übrig war. Aber Curran ist hingegangen und hat sich mit dem Jungen zusammengehockt und ihn überredet, mit uns zu gehen. Der Junge hat nichts gesagt. Ich glaubte damals, er könnte gar nicht sprechen.«
    Jim fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Wir wussten nicht mal, wie er hieß, verdammt noch mal. Er ist Curran überallhin gefolgt, wie ein Schatten: zum Training, in die Festung, zu den Kämpfen. Und wenn Ratssitzung war, blieb er vor der Tür hocken, wie ein Hund. Curran hat ihm aus Büchern vorgelesen. Er hat sich mit ihm hingesetzt und ihm vorgelesen und ihn dann nach seiner Meinung gefragt. Das hat er einen Monat lang gemacht, und eines Tages hat der Junge dann zum ersten Mal was gesagt.«
    Jims Augen funkelten. »Und mittlerweile hat der Junge eine bessere Zwischengestalt als ich. Hat sich selbst beigebracht, in der Zwischengestalt zu sprechen. Könnte eines Tages der Alpha der Wölfe werden. Ich kann ihm das nicht antun.«
    »Was?«
    »Ich muss das wieder geradebiegen, Kate. Gib mir eine Chance, das wieder geradezubiegen.«
    »Ich kann dir gerade nicht so ganz folgen, Jim.«
    Doolittle kam wieder herein, mit einem großen Teller Hushpuppies in der Hand. »Sie weiß nicht, wovon du redest, James. Lass mich das mal übernehmen.« Er setzte sich und schob mir den Teller hin. »Wenn ein Gestaltwandler unter großem Stress steht, egal ob körperlicher oder psychischer Stress, wird dadurch die Produktion des Lyc-V angeregt. Der Virus wird in unserem Körper in großer Menge ausgeschüttet. Und je stärker und schneller der Virus ausgeschüttet wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der betreffende Gestaltwandler zum Loup wird.«
    »Deshalb besteht zu Beginn der Pubertät die größte Gefahr, zum Loup zu werden«, sagte ich und nickte.
    »Ja, und Derek steht nun unter immensem Stress. Irgendetwas blockiert ihn, und wenn es uns gelingen sollte, diese Blockade zu beseitigen, würde der Virus bei ihm sehr schnell und sehr stark ausgeschüttet. Es wäre wie eine biologische Explosion.«
    »Derek könnte zum Loup werden.«
    Doolittle nickte. »Diese Gefahr besteht.«
    »Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit?«
    »Ich würde sagen, fünfundsiebzig Prozent, dass er zum Loup wird.«
    Ich stützte die Ellenbogen auf den Tisch und legte die Stirn auf meine Fäuste.
    »Wenn Curran von dieser Situation erfährt, und wenn Derek tatsächlich zum Loup wird, muss Curran ihn töten«, erklärte Doolittle. »Das wäre seine Pflicht als Herr der Bestien. Das Gesetz des Rudels besagt: Wenn ein Mitglied des Rudels zum Loup wird, ist es die Pflicht des höchstrangigen anwesenden Alphas, ihn zu eliminieren.«
    Oh, Gott. Das wäre für Curran, als müsste er den eigenen Sohn oder Bruder töten. Er hatte so hart daran gearbeitet, ihn zu fördern, nachdem Derek schon einmal um ein Haar zum Loup geworden wäre. Wenn Derek nun diesem Wahnsinn verfiel, würde das … Er würde ihn töten müssen. Und er würde es persönlich tun, denn es war seine Pflicht. Es wäre, als müsste ich Julie töten.
    Doolittle räusperte sich. »Curran hat keine Familie. Er ist der einzige Überlebende eines Massakers. Mahon hat ihn großgezogen, ihn gerettet, etwa so, wie Curran Derek gerettet hat. Derek zu töten würde bei ihm einen schweren psychischen Schaden hinterlassen«, fuhr Doolittle fort. »Er würde es tun. Er hat sich nie vor einer Verantwortung gedrückt, und er würde nicht wollen, dass jemand anderes das auf sich nimmt. Außerdem war er in diesem Jahr schon anderen großen Belastungen ausgesetzt. Er ist zwar ein Herr der Bestien, aber letzten Endes ist er auch nur ein Mensch.«
    Ich stellte mir vor, wie Curran vor Dereks Leichnam stehen würde. Es stand in meiner Macht, ihm das zu ersparen – um seinetwegen. Man sollte Kinder, die man gerettet hat, nicht töten müssen.
    Und anschließend wäre er außer sich vor Wut. Er würde Jim in Stücke reißen.
    »Er hat uns drei Tage Zeit gelassen«, sagte ich. »Wenn wir das nach diesen drei Tagen nicht geregelt haben, werde ich zu ihm gehen und ihm alles erzählen. Und wenn Derek vorher zum Loup wird, werde ich ihn töten.« Bitte, Gott, wer auch immer du

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