Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Titel: Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
Vom Netzwerk:
reden?«
    »Nee. Das hab ich mir bei dir abgeguckt.«
    Wir schwiegen eine ganze Weile.
    »Mein Vater hat das Töten gehasst«, sagte Jim. »Er konnte es nicht, selbst wenn er musste.«
    »Nicht jeder wächst zu einem Monster heran.«
    Wieder ein Donnern. Das Getöse des Publikums ebbte ab. Ich holte meine Wurfmesser hervor und begann sie mit einem Tuch zu polieren.
    »Er war ein Mensch«, sagte Jim.
    »Das Rudel hat ihn nicht umgedreht?«
    »Nein.«
    Jim war halb und halb. Das hätte ich nicht gedacht, so wie er mit Außenstehenden umsprang. Die menschlichen Partner von Gestaltwandlern wurden normalerweise irgendwann selber zu Gestaltwandlern.
    »Wie ist das denn beim Katzenclan angekommen?«
    Jim zuckte kaum merklich die Achseln. »Wir sind Katzen. Wir kümmern uns nur um unseren eigenen Kram. Er war willkommen, denn er war Arzt. Wir haben beim Rudel nicht allzu viele Ärzte. Doolittle und er waren befreundet. Sie haben zusammen ihren Abschluss gemacht.«
    Ich musste an Saimans Worte denken. Er hatte gesagt, Jim hätte den Mann getötet, der seinen Vater ermordet hatte, während die beiden inhaftiert waren. »Wieso ist er denn im Knast gelandet?«
    »Ein junger Luchs wurde zum Loup. Ein kleines Mädchen. Sie war erst zehn Jahre alt. Der Alpha war gerade nicht da, und die Eltern brachten sie zu meinem Vater, damit er sie einschläferte. Humanes Sterben und so.«
    Wenn ein Gestaltwandler erst einmal zum Loup geworden war, gab es kein Zurück mehr.
    »Er hat es nicht übers Herz gebracht«, sagte Jim. »Er hat ihr irgendein Mittel gespritzt, und sie ist eingeschlafen. Den Eltern hat er gesagt, er wollte ihren Körper behalten, um ihn zu obduzieren und herauszufinden, was den Loupismus ausgelöst hat. Sie haben ihm geglaubt. Und er hat die Kleine in einem Käfig im Keller versteckt. Hat Gewebeproben entnommen und versucht, ein Heilmittel zu finden. Sie ist ausgebrochen und hat zwei Menschen getötet, ehe wir sie fangen und endgültig einschläfern konnten. Und einer dieser beiden Menschen war eine schwangere Frau. Es kam zu einem Gerichtsverfahren. Er kriegte fünfundzwanzig Jahre bis lebenslänglich.«
    Jim sah mich immer noch nicht an. »An seinem zweiten Tag im Knast hat ihm ein Assi namens David Stiles eine Klinge in die Leber gerammt. Später habe ich Stiles gefunden und habe ihn gefragt, warum er das getan hatte. Und weißt du, was er gesagt hat?« Nun wandte sich Jim zu mir um. »Er hat gesagt, ihm wäre gerade so danach gewesen. Es gab überhaupt keinen Grund dafür.«
    Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte.
    »Mein Vater hat den Leuten geholfen. Er hat ein Loup-Kind so behandelt, als wäre es normal. Ich hingegen habe ein normales Kind so behandelt, als wäre es ein Loup, und sechs Jahre später habe ich es losgeschickt, um sich das Gesicht zermalmen zu lassen. Doolittle sagt, er wird immer schwächer. Er macht es nicht mehr lange. Wenn mein Vater noch am Leben wäre, er würde mir ins Gesicht speien.«
    Es war ein alte Wunde, und er hatte den Schorf abgerissen, um sie mir zu zeigen. Ich besaß keine Heilsalbe, mit der ich sie hätte verarzten können, aber ich konnte ihm im Gegenzug eine meiner Narben zeigen. »Wenn mein Vater wüsste, dass ich mich ganz bewusst in diese Situation gebracht habe, um jemandem zu helfen, würde er glauben, er hätte an mir versagt.«
    Jim sah mich an. »Wieso das?«
    »Weil er mir, seit ich gehen konnte, beigebracht hat, mich nur auf mich selbst zu verlassen. Ich sollte niemals eine Beziehung zu einem anderen Menschen aufbauen oder mich an einen anderen Menschen binden, nicht einmal an ihn. Er hat mich oft im Wald ausgesetzt und mich tagelang dort allein gelassen, und ich hatte weiter nichts dabei als ein Messer. Und als ich zwölf Jahre alt war, hat er mich nach Warren gebracht und dort auf der Straße stehen lassen. Einen Monat lang war ich Mitglied der Breakers. Wurde ein paarmal zusammengeschlagen und zweimal fast vergewaltigt.« Ich formte mit den Fingern das Bandenzeichen der Breakers. »Siehst du, ich kann es immer noch.«
    Jim starrte mich nur an.
    »Freunde sind was Gefährliches«, sagte ich. »Man fühlt sich für sie verantwortlich. Man will sie schützen. Man will ihnen helfen, und dann werfen sie einen aus dem Gleichgewicht, und ehe man sichs versieht, sitzt man da und heult sich die Augen aus, weil man nicht rechtzeitig zur Stelle war. Ihretwegen fühlt man sich dann hilflos. Und deshalb wollte mein Vater, dass aus mir ein Soziopath wird. Ein Soziopath

Weitere Kostenlose Bücher