Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
splitterfasernackt. Ich rüttelte ihn ein paarmal, aber er schien in eine Art Dornröschenschlaf gefallen zu sein, aber ich würde ganz sicher nicht diejenige sein, die ihn wach küsste.
Ich klopfte an die Tür. Keine Reaktion. Ich betätigte die Klinke – und die Tür ging auf. Ich steckte den Kopf hinein und rief, aber niemand kam, um mir beizustehen.
Brenna hätte die Tür bewachen sollen. Das Einzige, was sie davon hätte abhalten können, war … Bitte, lass Derek nicht gestorben sein .
Bei dem Gedanken, in diesen Keller hinabzusteigen, hätten mich beinahe meine Beine im Stich gelassen. Ich wusste nicht, ob ich es ertragen konnte, ihn tot zu sehen.
Ich musste dort hinunter, aber ich brachte es nicht fertig. Die Leichen. Ich hole lieber mal schnell die Leichen rein. Das ist doch mal eine gute Idee .
Es erwies sich als erstaunlich schwierig, einen vierarmigen Leichnam durch den Hauseingang zu befördern. Ich versuchte es geschlagene drei Minuten lang, bis mir schließlich der Geduldsfaden riss. Doch als Brenna endlich auf der schummrig erleuchteten Treppe erschien, hatte ich die Sache mittlerweile bestens im Griff.
»Ist Derek tot?«
»Noch nicht.«
Eine Woge der Erleichterung brandete über mich hinweg. Ich musste mich dringend setzen. »Ich dachte, du bewachst die Tür«, sagte ich und ließ Slayer hinter meinem Arm verschwinden.
»Das habe ich auch. Ich musste nur jemanden reinlassen.« Sie starrte die Leiche an, die zu meinen Füßen lag.
»Aber nicht Curran, oder?«, fragte ich.
»Nein.«
»Dann ist ja gut.« Ich hob die vier abgeschlagenen Arme auf und wies mit einer Kopfbewegung auf den Leichnam. »Nimmst du mal bitte den Rest?«
Doolittle hatte nur einen Blick auf mich geworfen und mir sofort eine Dusche verordnet. Eine halbe Stunde später, geduscht, verarztet und von Brenna mit einem Becher Kaffee versorgt, fühlte ich mich schon fast wieder wie ein Mensch. Doolittle war erneut in den Tiefen des Hauses verschwunden, um weiter bei Derek zu wachen. Ich blieb mit den beiden Toten zurück. Nachdem ich den Becher halb geleert hatte, kam Jim herein. Er wirkte fies drauf und verkatert. Er bedachte mich mit einem finsteren Blick und ließ sich auf einen Stuhl sinken.
»Und jetzt?«
»Jetzt warten wir.«
»Und worauf?«
»Auf meine Expertin. Sie ist gerade bei Derek.«
Und so saßen wir eine Weile da. Ich war immer noch nicht wieder ganz bei mir. Doolittle war zwar der beste Heilmagier weit und breit, und der Rücken und die Seite taten mir kaum noch weh, aber ich war dermaßen hundemüde, dass ich kaum geradeaus sehen konnte.
Ich musste mich bei Andrea nach den Ergebnissen der Silberanalyse erkundigen. Ich griff zum Telefon. Die Leitung war tot.
Eine junge Frau kam herein. Sie war nur knapp eins fünfzig groß und von gertenschlanker Gestalt. Ihre Haut war mandelfarben, und sie hatte ein breites, rundes Gesicht. Die Augen hinter ihren flaschenbodendicken Brillengläsern waren dunkelbraun, fast schon schwarz, und hatten eine leicht asiatisch anmutende Form. Ich schloss die Tür hinter ihr, und sie sah mich an.
»Indonesien«, sagte sie und richtete eine Tragetasche, die sie über der Schulter trug.
»Wie bitte?«
»Du hast dich doch gerade gefragt, woher ich stamme. Aus Indonesien.«
»Ich bin Kate.«
»Dali.«
Als sie an mir vorüberging, erhaschte ich einen Blick auf ein Buch, das sie in der Tragetasche bei sich trug. Auf dem Umschlag war ein blonder Hüne abgebildet, der ein unverhältnismäßig großes Schwert schwang. Er posierte mit drei Mädels, die zu seinen Füßen drapiert waren. Und eins der Mädels hatte Katzenohren.
Nun sah Dali zu Jim hinüber. »Jetzt bist du mir echt was schuldig. Wenn er erfährt, dass ich hier war, bin ich Katzenfutter.«
Er? Damit war hoffentlich nicht Curran gemeint.
»Ich übernehme die Verantwortung«, sagte Jim.
»Wo sind die Leichen?«, fragte Dali.
»Hinter dir.«
Dali drehte sich um und stolperte dabei über die Beine des vierarmigen Freaks, und wenn sie ein normaler Mensch gewesen wäre, hätte sie sich nun wunderschön auf die Nase gelegt. So jedoch gelang es ihr fortzuhüpfen, und sie landete perfekt ausbalanciert, wenn auch mit ganz leichten Abzügen in der B-Note. Da kamen ihr halt die Reflexe der Gestaltwandlerin zugute.
Dali richtete ihre Brille und warf mir einen gereizten Blick zu. »So blind bin ich nicht«, sagte sie. »Ich war nur etwas zerstreut.«
Vielleicht verfügte sie ja auch über telepathische
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