Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
einen Gefallen tun? Könnten Sie Julie bitte in der Mittagspause sagen – und zwar so, dass die anderen Kinder es mitbekommen – , dass ihre Tante sie heute während des Bogenschießenunterrichts abholen kommt?«
»Mache ich gern.«
»Vielen Dank.«
Ich legte auf und sah, dass Jim im Türrahmen lehnte. »Alles klar mit der Kleinen?«
»Ja. Ich hole sie ab.«
»Ich gebe dir jemanden mit.«
»Ich brauche keine Eskorte.«
Jim stützte sich mit den Händen auf dem Tisch ab und sah mich eindringlich an. »Ich gehe immer vom Schlimmsten aus. Wenn ich an der Stelle der Reaper wäre, würde ich Mittel und Wege finden, meine Toten zu verfolgen. Ich würde sie hierher verfolgen und anschließend das Haus observieren. Dann würde ich dir folgen, wenn du das Haus verlässt, und zuschlagen, wenn du besonders verletzlich bist – wenn du die Kleine bei dir hast. Und dann bist du tot. Dann ist Julie tot. Dann ist auch Derek tot. Ich sage dir nicht, wie du mit deinem Schwert umgehen solltest. Das ist deine Sache. Unser aller Sicherheit aber ist meine Sache. Nimm jemanden mit.«
Meine Seite hatte endlich aufgehört zu bluten. Doolittles Heilzauber hatte offenbar erneut gewirkt.
»Habt ihr Petroleum da?«, fragte ich.
Er holte ein Fläschchen Feuerzeugbenzin und eine Schachtel Streichhölzer aus dem Küchenschrank. Ich ging ans Spülbecken, warf die Mullbinde hinein, goss ein wenig Benzin darüber und steckte sie in Brand. »Also gut. Dann lass mich Raphael mitnehmen.«
»Den Bouda?« Jim verzog widerwillig das Gesicht. »Du willst einen Bouda in diese Sache reinziehen?«
»Von euch kann keiner weg. Falls du’s vergessen hast: Dein Team und du, ihr werdet immer noch vom Rudel gesucht. Mich aber würde Curran nie im Leben festnehmen lassen.«
»Da scheinst du dir ja sehr sicher zu sein.«
Ich wusste, wie Curran tickte. Wenn man mich ihm brachte, wäre das für ihn längst nicht so befriedigend, als wenn er mich selbst fing. Diese Chance würde er sich nicht entgehen lassen. Wenn ich Jim das gesagt hätte, hätte es natürlich auch dazu geführt, dass ich ihm das Gespräch von wegen »Du wirst nicht nur mit mir schlafen, sondern mich auch vorher darum bitten und mir hinterher dafür danken« hätte erklären müssen, das ich mit Curran geführt hatte. Und außerdem unser irrwitziges Morgenkaspern. Und das Versprechen des Nacktservierens. Was zum Teufel hatte ich mir überhaupt dabei gedacht, ihn zu küssen?
»Ich unterstehe nicht Currans Befehl.« Ich wählte meine Worte mit Bedacht. Hoffentlich kaufte Jim mir das ab. »Er hat mir nichts zu sagen. Wenn er dem Rudel befehlen würde, mich festzusetzen, würde er damit die Entführung eines Mitarbeiters des Ordens billigen.« Was Curran nicht einmal eine Sekunde lang davon abhalten würde. »Lass mich den Bouda mitnehmen.«
»Und wieso glaubst du, dass er uns nicht an Curran verrät?«
»Er ist in meine beste Freundin verliebt. Ich werde ihn bitten, Julie gemeinsam mit mir abzuholen, und das war’s dann. Er wird gar nicht merken, dass er dir und deinen Leuten hilft.«
Jim schüttelte den Kopf, wählte die entsprechende Nummer und gab mir den Hörer. »Sprich du mit ihm«, sagte er.
Ich hörte es am anderen Ende klingeln. »Könntest du dafür sorgen, dass an der Haltestelle in Macon Pferde für uns bereitstehen? Rösser, die richtig was hermachen, so von der Art, die ich sonst nie im Leben reiten würde?«
Jim ergab sich seinem Schicksal und zuckte die Achseln. »Klar.«
»Hallo?«, meldete sich Raphaels sanfte Stimme.
»Raphael? Du könntest mir mal einen Gefallen tun.«
Raphael erwartete mich an der Erdstrahlenader. Er lehnte an einem Jeep. Der Jeep war so umgebaut, dass er mit verzaubertem Wasser fahren konnte, und sah so aus, als hätte er versucht, seinen Motor durch die Motorhaube hindurch auszuspucken.
Ich hatte Raphael meinen Plan am Telefon erklärt, und er war komplett in Leder gekleidet zu unserem Treffen erschienen: schwarz glänzende, kniehohe Stiefel, eine schwarze Lederhose, die seine Beine bestens zur Geltung brachte, und ein schwarzer Lederkürass, der ihm wie aufgemalt saß. Von seiner Schulter hing eine kurzläufige Schrotbüchse herab. Ein übertrieben großes Schwert, gut einen Meter lang und fast fünfzehn Zentimeter breit, steckte an seiner Taille in einer kurzen Scheide und vervollständigte sein Outfit. Das Schwert war zu schwer für einen normalen Menschen, und am oberen Teil der Klinge war es mit schwarzen Runen verziert. Zusammen mit
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