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Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Titel: Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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Raphaels üppiger schwarzer Mähne und seinen rauchblauen Augen war die Wirkung schlicht und einfach hinreißend. Ich hätte dringend einen Arzt gebraucht, um mein stockendes Herz wieder in Gang zu setzen und mir die heruntergeklappte Kinnlade wieder einzurenken.
    Zwei Damen von der Transportarbeitergewerkschaft warteten auf dem Bahnsteig der Erdstrahlenader auf eine Lieferung. Sie beäugten Raphael, und es fiel ihnen dabei sichtlich schwer, nicht ins Sabbern zu verfallen. Als ich näher kam, stupste die eine, eine Rothaarige, die andere mit dem Ellenbogen an und sagte zu Raphael: »Wir erwarten eine Ladung Munni-Money aus Macon.«
    Sie meinte Munition. Patronen waren ein teures Gut, und manche Händler akzeptierten sie auch als Zahlungsmittel, daher diese neue Begriffsprägung.
    Raphael blendete sie mit seinem Lächeln. »Ich bin kein Räuber.«
    »Wie schade«, sagte die Rothaarige. »Mich dürften Sie nämlich jederzeit gern überfallen.«
    Raphael verneigte sich. Die Ladys wirkten einer Ohnmacht nahe.
    Ich stellte mich an seine Seite, ehe die Damen noch alle Zurückhaltung fahren ließen und gleich auf dem Bahnsteig über ihn herfielen. Die Rothaarige guckte mich scheel an. »Spielverderberin.«
    Ich wandte mich um und bedachte sie mit meinem strengsten Blick. Daraufhin wechselten die beiden ans andere Ende des Bahnsteigs. Ich konnte es ihnen nachfühlen. Schließlich war ich in voller Montur dort aufgetaucht. Im Gegensatz zu Raphael, der in glänzendes Schwarz gewandet war, hatte ich mich für mattes, Licht schluckendes Schwarz entschieden, von den Spitzen meiner weichen Lederstiefel bis zu den Schultern, die unter einem dramatisch wirkenden Umhang verborgen waren, den ich mir von Jim geborgt hatte. Ich sah aus wie ein Stück Dunkelheit in Gestalt einer Frau. Jim hatte mir seinen Umhang nur sehr ungern geliehen, aber ich hatte keine Klamotten dabei, die zu meinem Plan gepasst hätten, und auch keine Zeit, mir noch welche zu besorgen. Wir alle hatten unsere Zeit von Derek geborgt, und seine Zeit lief ab.
    Der Umhang und die schwarze Lederweste ließen mich hinreichend bedrohlich wirken. Das Einzige, was mir noch fehlte, war ein großes Neonschild mit der Aufschrift: ICH BIN DIE ALLERHÄRTESTE. WER WAS AUF DIE FRESSE WILL, BITTE HINTEN ANSTELLEN .
    Raphael lächelte breit, als er mich sah.
    »Wenn du jetzt lachst, bringe ich dich um«, sagte ich.
    »Wozu das Gewehr? Jeder weiß doch, dass du nicht schießen kannst.«
    Welcher »Jeder« denn? Und hätte er nicht eventuell Lust gehabt, sich vor mir aufzustellen, vorzugsweise im Abstand von höchstens drei Metern, damit wir dieses Thema mal mit der gebotenen Ausführlichkeit besprechen konnten? »Ich kann durchaus schießen.« Bloß mit meiner Treffsicherheit haperte es halt ein wenig. Bei Feuerwaffen jedenfalls. Mit der Armbrust ging es schon besser, und mit Messern war ich richtig gut. »Ist dir klar, dass die Runen auf deinem Schwert kompletter Schwachsinn sind?«
    »Ja, aber sie sehen so schön geheimnisvoll aus.«
    Vor uns schimmerte die Erdstrahlenader. Poetische Schilderungen verglichen dieses Schimmern mit dem Flirren der Luft über erhitztem Asphalt. In Wirklichkeit jedoch war es sehr viel abrupter: ein kurzes, begrenztes Zucken, so als würde eine unsichtbare Klappe aufgestoßen, die etwas entließ, das die Luft eintrübte, und dann sofort wieder geschlossen wurde. Diese Erdstrahlenströmung war kein Scherz. Es war die Magie selbst, die in etwa einem halben Meter Höhe über dem Boden waberte. Diese Strömung packte einen und riss einen mit sich, mit einer Geschwindigkeit von knapp hundert bis hundertsechzig Stundenkilometern. Jeder Mensch, der so dumm war, in die Strömung zu treten, ging augenblicklich der unteren Hälfte seiner Beine verlustig. Die meisten Leute nutzten Erdstrahlentaxis, eilig gezimmerte hölzerne Pritschen, aber im Notfall ließ sich alles nutzen, was stabil genug war, um einen Menschen zu tragen: irgendein Fahrzeug, ein Surfbrett, ein Stück von einem alten Dach. Einmal hatte ich jemanden auf einer Leiter auf der Strömung reiten sehen. Das war mir allerdings nicht nachahmenswert erschienen.
    Raphael legte bei dem Jeep den Leerlauf ein. Dann schoben wir das Fahrzeug den Bahnsteig entlang auf die Erdstrahlenader zu. Vor uns zuckte die Strömung. Ich sprang hinters Steuer, und Raphael folgte mir eine Sekunde später in die Fahrerkabine. Dann rollte der Wagen auf die Ader.
    Die magischen Kiefer der Strömung schnappten nach uns. Mein Herz

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