Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
das Haar wieder zusammengebunden und ritt die Marietta Street hinauf, die zu dem dichten Wald führte, der früher mal der Centennial Park gewesen war. Und ich hätte sehr gern das Gesprächsthema gewechselt.
Die Magie verschwand. Sie würde binnen einer Minute wiederkehren – die Wogen kamen nun eine nach der anderen, kurz und intensiv.
»An dir schien er aber ganz besonders interessiert zu sein«, sagte Ghastek.
Blödmann. »Es war egal, wer aufs Dach gekommen wäre. Er hätte sich so lange gewandelt, bis er die perfekte Gestalt gefunden hätte.«
»Und das in mehr als nur einer Hinsicht.« Der Vampir querte wieder direkt vor den Pferden die Straße.
»Besten Dank für deine Kommentare. Mir ist allerdings aufgefallen, dass du nichts unternommen hast, um mir beizustehen.«
»Du schienst die Sache ganz gut im Griff zu haben.« Ghastek schickte seinen Vampir im Galopp voraus. Wenn eine Auseinandersetzung droht, einfach abhauen. Meine Lieblingstaktik.
»Schau mal«, sagte Derek, »ich will doch bloß sagen, dass es hilfreich gewesen wäre, wenn wir, bevor wir da reingegangen sind, alle relevanten Informationen gehabt hätten.«
»Ich hatte diese relevanten Informationen selbst auch nicht. Wenn ich gewusst hätte, dass er oben auf dem Dach im Schnee tanzt, wäre ich doch gar nicht erst raufgegangen.«
»Ich kann dir nicht sinnvoll helfen oder dich beschützen, wen n … «, sagte Derek.
Ich wandte mich im Sattel zu ihm um. »Derek, ich habe dich nicht gebeten, mich zu beschützen. Ich habe dich auch nicht gebeten mitzukommen. Wenn ich gewusst hätte, dass du hier die ganze Zeit Curran imitieren würdest, hätte ich es mir zweimal überlegt, ob ich dich mitnehme.«
Derek kniff den Mund zu einem Strich zusammen.
Vor uns bog der Vampir nach links auf den Centennial Drive ab.
Es war nicht nett, so was zu sagen. Ich blieb stehen. Derek hielt ebenfalls an.
»Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht anschnauzen.«
»Wen sollte ich denn sonst imitieren, Kate?«, fragte er leise.
Darauf wusste ich keine Antwort.
»Oder willst du mir jetzt irgendwelchen Quatsch erzählen, dass man niemanden imitieren, sondern man selbst sein sollte? Wer wäre das, Kate? Der Sohn eines Loups und Mörders, der nicht verhindern konnte, dass seine Schwestern von ihrem Vater vergewaltigt und bei lebendigem Leib aufgefressen wurden? Wieso sollte ich der sein wollen?«
Ich lehnte mich im Sattel zurück und wäre nur zu gern die ganze Last, die sich auf meinen Schultern angesammelt hatte, mit einem Seufzer losgeworden. »Entschuldige bitte. Das war falsch von mir.«
Er saß noch einen Moment lang still da und nickte mir dann zu. Der Vampir war stehen geblieben und wartete auf uns.
»Ich hätte nicht an dir rumnörgeln sollen«, sagte er. »Aber ich kann mir so was manchmal leider nicht verkneifen.«
»Schon gut.« Ich ritt weiter. Ich wusste, wieso er so war. Ich hatte gesehen, wie sorgfältig er seine Kleidung zusammenlegte. Er war perfekt rasiert, sein Haar war kurz und frisch geschnitten und seine Fingernägel sauber. In seinem Zimmer gab es wahrscheinlich nichts, was sich in irgendeinem Sinne in Unordnung befand. Wenn man als Kind in einem Chaos gelebt hat, will man als Erwachsener Ordnung in der Welt schaffen. Doch dummerweise sträubt sich die Welt dagegen, und so muss man sich mit dem Versuch begnügen, sich selbst zu kontrollieren, seine Umgebung und seine Freunde.
»Ich mache mir einfach nur um so viele Dinge Sorgen«, sagte ich.
»Julie?«, mutmaßte er.
»Ja.«
Ich wünschte, ich hätte beim Orden anrufen können, um mich nach ihr zu erkundigen, aber ich hatte keine Ahnung, wo ich hier einen intakten Telefonanschluss hätte finden sollen, und angesichts der auf den Flair zubrandenden Magie hätte das Telefon wahrscheinlich ohnehin nicht funktioniert. Andrea hatte versprochen, bei ihr zu bleiben. Und auch wenn sie derzeit nicht mehr im Feld zum Einsatz kam, war Andrea doch nach wie vor ein meisterhafter Schütze.
»Es fällt dir sehr schwer«, bemerkte Derek, »dich auf andere Leute zu verlassen.«
Einen Moment lang fragte ich mich überrascht, ob er nun auch schon telepathische Fähigkeiten entwickelt hatte. »Wie kommst du jetzt darauf?«
»Du hast gesagt, dass du besorgt bist wegen Julie, und dann hast du ein Gesicht gemacht, als hättest du Hämorrhoiden.«
»Derek, so was sagt man einfach nicht zu einer Frau. Wenn du so weitermachst, wirst du ein einsames Leben führen.«
»Lenk nicht vom Thema ab. Andrea ist
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