Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
fragst du dich, ob du das Wehr an deiner Tür genauso hättest unschädlich machen können, wie ich es getan habe. Ich kenne dich, weil ich mich selbst kenne. Und ich bin eine schreckliche Mutter.«
Ich tätschelte Slayer auf meinem Schoß. »Ich bin nicht du.«
»Doch. Und das wird dein Verderben sein. Der Schlüssel zum Leben ist die Mäßigung. Das hast du nicht gelernt, und nun wirst du es nie mehr lernen.«
Eine Moralpredigt über Mäßigung von der Frau, die einen Wutanfall bekommen und Babylon von der Bildfläche gefegt hatte? Starkes Stück! »Apropos Mäßigung, das Casino gehört dem Volk. Weiß mein Vater, dass du einen seiner Stützpunkte angegriffen hast?«
Erra zuckte mit den Schultern. »Im würde es gutheißen. Dort ist es so …« Sie runzelte die Stirn und schien nach einem passenden Wort zu suchen. »… kitschig. Der Laden ist all das, was mir an diesem Zeitalter missfällt: zu laut, zu hell, zu bunt. Niemand sieht die Schönheit des Gebäudes hinter all diesen glitzernden Lichtern und farbenfrohen Fahnen. Die Musik klingt, als würde drinnen eine Horde Affen auf Töpfe einschlagen.«
»Sie haben deswegen Anzeige erstattet.«
Erra riss die Augen auf. »Wirklich? Weicheier!«
Ghastek wusste nicht, wer sie war, aber Nataraja hatte Roland nahe genug gestanden, um ihr vielleicht begegnet zu sein. Dann ahnte er womöglich, dass sie sprunghaft genug war, um das Casino aus einer Laune heraus in Trümmer zu legen. Er würde kein Risiko eingehen.
Die launische Erra, die erratische Erra. Mein Gott, vielleicht hatte man dieses Wort geprägt, um das Temperament meiner Tante zu beschreiben. Das wäre wirklich verrückt. »Womit hat die Gilde dein Missfallen erregt?«
Erra verdrehte die Augen. »Bin ich heute dazu verdammt, Vorträge zu halten?«
»Wie oft hast du Gelegenheit, dich als Dozentin zu betätigen?«
Wieder gluckste sie. »Also gut. Wenn man eine Armee übernehmen will, tritt man vor sie und sagt: ›Schickt mir euren stärksten Mann.‹ Dann tötet man ihn, während alle anderen zuschauen. Man tut es schnell und brutal, vorzugsweise mit bloßen Händen. Und während noch alle unter Schock stehen, erschießt man den kleinen Kerl mit der großen Klappe, der einen angeblafft hat, als man vor die Armee getreten ist. Damit beweist man, dass man auch den großen Mann hätte erschießen können, es aber bewusst nicht getan hat.«
Ich nickte. Das klang vernünftig.
»Wenn man eine Stadt übernehmen will, muss man die Illusion der Sicherheit zerstören, die sie ihren Bewohnern gibt. Man muss die großen, gut geschützten Institutionen treffen, die Leute herauspicken, die sie führen und die als unbesiegbar gelten, und sie töten. Zuerst muss man die Moral zerstören. Sobald der Kampfgeist des Volkes gebrochen ist und jeder nur noch Angst um seine eigene Haut hat, ist die Eroberung der Stadt gelungen. In der Gilde wimmelt es von kleinen Leuten, die sich für stark halten. Ich hätte ihren Anführer in seinen Räumen töten können, stattdessen habe ich ihn herausgezerrt und ihn vor den Augen der anderen ermordet. Jetzt haben sie nicht nur jeden Widerstand gegen mich aufgegeben, sie werden außerdem überall Panik verbreiten, wenn sie den Mund aufmachen. Und dann kam obendrein der Erste in das Gebäude marschiert, als ich meine Jungs zurückzog. Diese Gelegenheit war zu verlockend, um sie ungenutzt verstreichen zu lassen.«
Also hatte es gar nichts damit zu tun, dass Solomon ein Gestaltwandler war. Sie hatte ihn angegriffen, weil er die Gilde leitete, nicht weil ihm gelegentlich Fell wuchs. »Aber dann hast du Beben in der Gestalt Solomons auftreten lassen. Warum?«
Erra verdrehte die Augen. »Dein Vater macht Waffen und Rüstungen. Das kann ich auch, aber hauptsächlich erschaffe ich Golems aus Fleisch und Knochen. Doch ein Golem braucht eine Blutinfusion als Treibstoff, bevor er sich in Bewegung setzen kann. Wenn Blut in den Körper injiziert wird, nimmt das Gesicht die Züge des Spenders an. Je stärker die Magie, desto beweglicher der Golem, und desto mehr ähnelt er dem Spender. Die ersten sieben, die ich machte, hielten einige Jahrhunderte, weil ich meine Kinder dazu benutzte. Jetzt muss ich mich auf die Talente verlassen, die ich finde, und in letzter Zeit war die Auswahl nicht sehr groß.«
Ich hätte mich fast an meinem Tee verschluckt. »Mal sehen, ob ich das richtig verstanden habe. Du hast deine Kinder getötet und dann ihre untoten Körper gesteuert?«
»Ja. Schockiert dich
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