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Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Titel: Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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gehüllt, das Gesicht unter einer Kapuze verborgen. Ich war etwa einen Meter siebzig groß. Sie überragte mich um mindestens fünfundzwanzig Zentimeter.
    Wäre es wirklich so schlimm gewesen, ein paar Stunden zu warten, bis ich wieder zu Atem gekommen war?
    Ich hielt die Tür auf. »Ein höchstpersönlicher Besuch. Ich fühle mich zutiefst geehrt.«
    »Daran tust du recht. An der Tür ist ein Wehr. Deins? Oder hast du jemanden dafür bezahlt?«
    »Meins.«
    Sie streckte die Hand aus und ließ mich die Schwielen an den Fingeransätzen sehen – Schwertschwielen. Männerhände, hatte Bob gesagt. Mir wurde klar, warum er das gedacht hatte.
    Das Wehr hüllte ihre Hand in einen blauen Blitz. Es musste höllisch wehtun.
    Sie ballte die Hand zur Faust.
    Das blaue Leuchten verfestigte sich um ihre Hand. Feine Risse zuckten darin. Es hielt noch einen Moment lang stand, wie eine Scheibe aus durchscheinendem blauen Glas, dann zerbrach es. Magie dröhnte in meinem Schädel und explodierte in lähmendem Kopfschmerz.
    Botschaft angekommen. Was auch immer ich aufzubieten hatte, sie konnte es zerbrechen.
    Teile des Wehrs segelten durch die Luft und zerschmolzen zu nichts. Erra verzog das Gesicht und schüttelte die Hand. »Gar nicht mal schlecht.«
    Mein Schädel wünschte sich zu platzen, um den Druck zu erleichtern. »Wollen wir jetzt oder später kämpfen?«
    »Später.« Sie betrat meine Wohnung. Anscheinend wollte sie reden. Das war in Ordnung. Ich konnte sie auch später bluten lassen. Ich schloss die Tür.
    Erra schlug die Kapuze zurück und offenbarte eine Mähne aus dunkelbraunem, fast schwarzem Haar. Dann nahm sie den Umhang ab und warf ihn auf mein Bett. Sie trug weite schwarze Hosen und eine maßgeschneiderte, mit Metall besetzte Lederjacke. An ihrer Hüfte hing ein einfaches Langschwert. Funktionaler Griff ohne Verzierungen, doppelschneidige Klinge, etwa siebzig Zentimeter lang. Gut zum Stechen oder Schlitzen. Genau die Art von Schwert, die auch ich verwenden würde. Ihre Schwielen verrieten, dass sie damit umzugehen verstand. Meine Vision von einem Kampf gegen einen Speerträger löste sich in Luft auf. Sie knackte Wehre wie Walnüsse, sie war eine Riesin, und sie war eine gute Schwertkämpferin.
    »Feuer spuckst du nicht, oder?«
    »Nein.«
    »Wollte mich nur vergewissern.«
    Erra wandte sich mir zu. Sie sah etwa zehn Jahre älter aus als ich. Ihre Nase war lang, fast von römischer Form, und ihre Lippen waren voller als meine. Wenn ich in ihre dunklen Augen blickte, war es, als würde ich einen Stromschlag erhalten. Magie brodelte in der Iris und heizte eine maßlose Arroganz, Intelligenz und Launenhaftigkeit an. Meine Nackenhärchen richteten sich auf.
    Sie kniff die Augen zusammen. Sie musterte mich.
    Ich hob das Kinn und starrte zurück.
    Erra lachte leise. »Was sagt man dazu? Blut ist dicker als Wasser. Ein ferner Widerhall meiner eigenen Sterblichkeit. Viele Jahrtausende und gottgleiche Macht, und nun werde ich von einem Baby herausgefordert, das genauso aussieht wie ich.«
    Sie hatte es erfasst. Wer noch einen Funken Verstand besaß, würde sofort erkennen, dass wir verwandt waren. Der gleiche Hautton, die gleichen Augen, die gleiche Gesichtsform, das gleiche Schmunzeln, der gleiche Körperbau – nur dass sie riesig war. Wir trugen sogar ähnliche Kleidung.
    Plötzlich verstand ich das Dubal-Ritual. Es war gar nicht mein Bild, das in der trüben Flüssigkeit erschienen war. Es war ihres gewesen. Sobald jemand uns Seite an Seite sah, wäre das Spiel aus.
    Erra blickte sich in meinem Apartment um. »Hier wohnst du?«
    »Ja.«
    »Es ist eine Bruchbude.«
    Warum machte in letzter Zeit jeder abfällige Bemerkungen über meine Quartiere? Mein Büro war schäbig, meine Wohnung eine Bruchbude …
    »Wie alt bist du?«
    »Sechsundzwanzig.«
    Sie blinzelte. »Du bist wirklich noch ein Baby. Als ich so alt war wie du, hatte ich einen Palast. Mit Dienern und Wächtern und Lehrern. Den Ersten vergisst man nie.«
    »Den Ersten?«
    »Den ersten Palast.«
    Ich verdrehte die Augen. »Danke.«
    »Keine Ursache.« Erra ging weiter und warf einen Blick in die Bibliothek. »Deine Bücher gefallen mir.« Sie nahm Julies Foto vom Regal. »Wer ist dieses Kind? Es gehört nicht zur Familie.«
    »Eine Waise.«
    Erras Finger glitten über das schwarze Band. »Was ist geschehen?«
    »Sie ist gestorben.«
    »Das tun Kinder häufig.« Sie drehte sich um und nickte in Richtung Küche. »Es ist kalt. Hast du etwas zu trinken

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