Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
blutete.
Die Pfütze sickerte durch eine Lücke in der Feuerfalle.
Ich atmete tief ein und wappnete mich für den Schmerz eines Machtwortes. Ich wusste nicht, ob es sich dadurch aufhalten ließ, aber ich sah keine andere Möglichkeit mehr.
Hinter den Söldnern ertönte ein Gesang, eine sanfte Stimme, die in einer geübten Melodie chinesische Worte murmelte. Ein langes geschupptes Band schob sich an den Söldnern vorbei – eine Schlange. Sie prüfte die Luft mit der Zunge und hielt inne, um leise im Rhythmus des Singsangs zu schwanken. Ronnie Ma trat hervor. Sein richtiger Name war Ma Rui Ning, aber jeder nannte ihn Ronnie. Er war ein runzliger Greis und damit einer der wenigen gefährdeten Söldner, die es geschafft hatten, das Pensionsalter zu erreichen. Er hatte seine zwanzig Jahre abgeleistet und bezog nun seine Rente. Sein Haus war nur eine Minute entfernt, aber er verbrachte die meiste Zeit im Gebäude der Gilde, um Tee zu trinken und den Leuten mit einem stillen Lächeln zuzunicken.
Er ging weiter singend um die Pfütze herum. In den Händen hielt er mehrere kleine Säcke.
Die Pfütze steuerte nun den Abfluss an. Irgendwie schaffte Ronnie es, zuerst dort zu sein. Er griff in einen Sack und setzte etwas auf den Boden. Es war ein Skorpion. Das Tier tanzte auf der Stelle und krümmte den Schwanz. Die Pfütze wich zurück.
Ronnie ließ den Sack fallen und ging weiter. Nach ein paar Schritten griff er in einen anderen Sack und zauberte eine große Kröte hervor.
Da die Pfütze auf drei Seiten von Tieren bedroht wurde, änderte sie ihren Kurs und stieß beinahe mit dem vierten Geschöpf zusammen, einem langen Tausendfüßler, den Ronnie soeben auf den Boden gesetzt hatte. Noch ein paar Schritte, und der alte Mann leerte den letzten Sack, der eine Riesenspinne enthielt.
Die Geschöpfe bewegten sich im Rhythmus seiner Stimme. Die Pfütze verharrte in der Mitte und war gefangen. Nun löste Ronnie einen kleinen Kanister vom Gürtel und ging auf die Pfütze zu. Seine Finger zuckten sehr schnell, und er zog ein kleines Stück gelbes Papier aus dem Ärmel. Das Papier segelte durch die Luft und legte sich auf die Pfütze. Die Oberseite zeigte ein kleines chinesisches Schriftzeichen in Rot. Ronnie schraubte den Kanister auf und schüttete den Inhalt in einem zinnoberroten Strahl auf das Papier.
Ein dunkler Pesthauch stieg von der Pfütze auf und verflüchtigte sich, als wäre er verbrannt. Die widerliche Flüssigkeit lag still da.
Ronnie Ma lächelte.
*
»Das ist ein uraltes chinesisches Ritual«, sagte Patrice, während zwei Heilassistenten mich mit brennendem Beifuß beräucherten. Ich stand hinter der Salzspur, die quer über den Boden verlief. »Fünf giftige Tiere halten die Seuche in Schach. Wir wissen davon, weil das ein Teil des Drachenbootfestes ist. Das Fest des Fünften Mondes fällt auf die Sommersonnenwende und ist mit großer Hitze und Feuchtigkeit verbunden, was die Infektionsrate erhöht.«
»Was hat er auf die Cholera geschüttet?«
»Wenn ich raten müsste, würde ich auf Wein mit Zinnober tippen.« Patrice warf einen Blick zu Ronnie Ma, der immer noch still lächelte, während zwei Assistenten ihn erfolglos zu überreden versuchten, auf die Diagnoseblüte zu atmen. »Wir haben eine Ewigkeit nach jemandem gesucht, der weiß, wie das Ritual durchgeführt wird. Glauben Sie, er wäre bereit, für mich zu arbeiten?«
»Ich würde sagen, ja. Mr Ma genießt es, wenn er sich nützlich machen kann. Kann ich jetzt gehen? Mir geht es gut, und ich habe weder Schmerzen noch irgendwelche Beschwerden.«
Patrice legte eine Hand auf meine Stirn. Ich wurde von magischer Energie ergriffen. Kreise schwebten vor meinen Augen. Meine Haut fühlte sich an, als würde sie brennen. Ich schnappte nach Luft und schüttelte den Kopf, um wieder klar zu werden.
»Jetzt können Sie gehen«, sagte Patrice.
»War ich infiziert?«
»Nein, das war nur eine Vorsichtsmaßnahme«, erklärte sie und blickte sich zu den Tieren um, die sich nicht von der Stelle gerührt hatten. »Fünf giftige Kreaturen haben die Seuche in Schlaf versetzt. Aber wenn sie nicht mehr da sind, wird sie aufwachen, und ich möchte kein Risiko eingehen.«
Gut zu wissen.
Ich trat über die Kreidelinie. Um mich herum herrschte kontrolliertes Chaos, als die Biohazard-Leute den Schauplatz sicherten, die zwei Dutzend Söldner untersuchten und Proben von der Pfütze nahmen.
Ich wandte mich wieder an Patrice. »Diese Pfütze steuerte genau auf den Abfluss
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