Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
Delle in seiner Panzerung, während er ausschließlich danach strebte, die Bilanz zu verbessern.
Zum Teil lag es auch an seinem Aussehen. Sein Gesicht war penibel gepflegt. Seine Haut war von der Sonne unberührt und wahrscheinlich großzügig befeuchtet. Sein durchtrainierter Körper wies ihn als gut situierten Mann aus, der auf sein Erscheinungsbild achtete. In einer Gruppe von Leuten, die ihren Körper dazu benutzten, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, fiel er auf wie eine zarte Lilie in einem Blumenbeet voller Unkraut, und er sendete laut und deutlich die Botschaft »Ich bin besser als ihr« aus.
Er blieb abrupt vor mir stehen. »Kate, ich muss mit Ihnen reden.«
»Geht es um den Tod von Solomon?«
Er verzog das Gesicht. »Es geht um die Konsequenzen desselben.«
»Wenn es keinen direkten Bezug zu den Ermittlungen hat, muss ich das Gespräch vertagen.«
Bob kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. »Offenbar wollen Sie keine Zeit verschwenden, Mark.«
Er ging nicht darauf ein. »Muss ich einen Termin vereinbaren?«
»Ja. Rufen Sie morgen den Orden an, dann wird man versuchen, etwas zu arrangieren.« Ich machte mich auf den Weg zur Treppe, um Solomons Quartier zu inspizieren.
Hinter mir sagte Bob: »Morgen wird die Titelseite der New Atlanta Journal-Constitution laut verkünden, wie Solomon Red seinen Darminhalt entleerte und seine Söldner anschließend die Pfütze aus Blut und Scheiße quer durch das Gebäude jagten. Sollten Sie nicht lieber deswegen etwas unternehmen?«
»Kümmern Sie sich um Ihre Angelegenheiten, dann kümmere ich mich um meine«, erwiderte Mark.
Solomons Tod hinterließ ein Machtvakuum. Irgendwie musste es ausgefüllt werden, also wurde schon mal Kampfstellung bezogen. Damit hatte ich kein Problem. Nicht für Geld und gute Worte würde ich mich in diesen Kampf hineinziehen lassen.
Ich stieg am ausgetrockneten Solomon vorbei die Treppe hinauf. Der Anführer der Gilde hing schlaff am Speer und war nicht mehr als ein Sack aus dehydrierter Haut, die sich über das Skelett spannte. Der Mann, der hart daran gearbeitet hatte, zu einer lebenden Legende zu werden, war auf demütigende Weise gestorben. Das Universum hatte einen rasiermesserscharfen Sinn für Humor.
Das Biohazard-Team zog ohne Solomon ab. Die Seuche hatte ausschließlich aus der Pfütze bestanden, die von Biohazard in Gewahrsam genommen wurde. Solomons Leiche war jetzt nur noch eine leere Hülle. Offenbar hatte Mark die Leute überredet, ihn der Gilde zu überlassen, damit er bestattet werden konnte.
Ich stieg bis zum dritten Stock hinauf und nahm dann die Innentreppe, die zu Solomons Quartier führte. Unterschiedlichste Waffen schmückten die Wände: Streitäxte, glatte japanische Klingen, einfache elegante europäische Schwerter, moderne taktische Waffen … Dann kam ich zu einer leeren Stelle zwischen zwei einsamen Metallhaken. Gerade genug Platz für einen Speer. Meine Hoffnung, dass der Speer in Solomons Kehle der Steel Mary gehört hatte, verflüchtigte sich spurlos.
Er hätte alles haben können, was er wollte, aber er hatte sich den Speer ausgesucht. Warum einen Speer?
Die Treppe führte mich zu einem Korridor, der auf einer Seite in eine offene Galerie mündete. Vier Stockwerke tiefer sah ich in der Haupthalle die immer noch unter Schock stehenden Söldner. Die Tür zu Solomons Quartier stand offen und war auf der linken Seite zersplittert. Die Steel Mary schien das Holz rund um das Schloss mit einem Schlag zertrümmert zu haben.
Ich trat ein. Leere Wände begrüßten mich. Keine Bilder unterbrachen die malachitgrüne Farbe. Das schlichte, fast primitive Mobiliar kam ohne jeglichen Schnickschnack aus. Keine Fotos auf dem Sims über dem kleinen Kamin. Keine Zeitschriften auf dem Couchtisch. Keine Bücher. Hier sah es wie in einem Hotelzimmer aus, das auf den nächsten Gast wartete, nicht wie in einer Wohnung, in der tatsächlich jemand lebte.
Ich ging nach links in das Schlafzimmer. Ein einfaches Bett, ein einfacher Schreibtisch voller Papiere. Ein Stuhl lag umgekippt am Boden. Hier schien Solomon gesessen zu haben, als die Steel Mary hereinkam.
Ein Diktafon stand auf dem Schreibtisch. Ich nahm es auf und drückte die Play-Taste.
»Siebte Zeile von oben, unterschreiben«, sagte Marks Stimme. »Drei Seiten weiter. Seite sechs. Von unten drei Zeilen nach oben zählen, unterschreiben.«
Was in aller Welt …? Ich spulte ein paar Sekunden zurück.
»Es ist genauso wie der alte Vertrag«, sagte Mark.
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