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Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Titel: Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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in einer gerinnenden Blutlache. Er sah mich mit milchigen toten Augen an. Sein Gesicht war glatt rasiert, schmal und schockierend jung.
    Eigentlich war er noch ein Junge. Ein Junge, der sich einem Schläger entgegenstellte und den Kürzeren zog. Leider siegten die Guten nicht immer.
    Das dritte Foto zeigte Oris Werkzeugkiste, ordentlich unter der Theke verstaut. Irgendwie hatte sie die Verwüstung unbeschadet überstanden. In der Kiste befanden sich Meißel und Maurerkellen, gesäubert und nach Größe sortiert. Ein kleines Kästchen mit einer rosafarbenen Schleife lag oben auf dem Werkzeug. Nahaufnahme des Kästchens. Erdbeeren im Schokoladenmantel.
    Maurer verdienten gutes Geld, aber Ori war kaum alt genug für einen Wandergesellen. Schokolade war teuer, und Erdbeersaison war gerade auch nicht. Er musste wochenlang gespart haben, um sich die Süßigkeit leisten zu können. Wahrscheinlich hatte er vorgehabt, sie einem ganz besonderen Menschen zu schenken. Stattdessen lag er nun auf dem dreckigen Fußboden, weggeworfen wie ein Stück Abfall.
    »Wir müssen diesen Mistkerl finden«, erklärte ich dem Kampfpudel. »Wir werden ihn finden, und dann werde ich ihm sehr wehtun.«
    Ich sah mir die restlichen Fotos an. Eine Nahaufnahme von Oris Hand. Eine zerrissene Silberkette wand sich um seine toten Finger. Offenbar war daran etwas befestigt gewesen. Ein Amulett, ein Abgott, vielleicht irgendein Zaubermittel … jedenfalls etwas, vor dem die Mary zurückgewichen war.
    Ich blätterte den Bericht mit den Aussagen von Barb durch. Er war praktisch identisch mit der Zusammenfassung – bis zu der Stelle, als der Satz »Keine Schuhe, kein Service« gefallen war.
    Barbara Howell sagte aus, dass der haarige Mann wie eine Frau gelacht hatte.
    Das Telefon schrie mich an. Ich nahm ab. »Kate Daniels.«
    »Ich habe genug von diesem Spiel«, knurrte Curran.
    Ich drückte ihn weg und schaltete auf Maxine um. »Maxine, wenn er noch einmal anruft, stellst du ihn nicht zu mir durch.«
    »Schätzchen, das war der Herr der Bestien.«
    »Ja, ich weiß. Bitte blockiere seine Anrufe.«
    »Wie du meinst.«
    Ich blickte wieder auf den Bericht. Der haarige Mann lachte wie eine Frau. Genau wie der untote Magier.
    Warum hatte Curran mich überhaupt angerufen?
    Ich nahm das Telefon und wählte Christys Nummer. Christy war meine nächste Nachbarin – sie wohnte nur ein paar Minuten von meinem Haus bei Savannah entfernt. Sie ging nach dem ersten Klingeln ran.
    »Hallo, hier ist Kate. Wie geht’s dir?«
    »Gut, bestens. Was ist los?«
    Ich würde es später bereuen. »Ich möchte dich um einen Gefallen bitten. Könntest du zu meinem Haus gehen und nachsehen, ob irgendwo in der Nähe meiner Tür eine Nachricht hinterlassen wurde?«
    Ein Monat war vergangen. Falls er sie nicht hinter die Fliegengittertür gesteckt hatte, wäre sie längst fortgeweht, sofern dort überhaupt etwas gewesen war.
    »Klar. Ich ruf dich zurück. Unter deiner Dienstnummer?«
    »Nein, lieber in meiner Wohnung. Danke.«
    Ich legte auf. Selbst wenn es eine Nachricht gab, änderte das nichts. Gar nichts.
    Wenn der große, zottige Mann, der Barbs Bar überfallen hatte, wirklich wie eine Frau gelacht hatte, und wenn der zweite Eindringling die Steel Mary war, hieß das, dass beide im selben Team kämpften. War es eine neue Splittergruppe, die in Atlanta ihr Territorium abstecken wollte? Uff! Je tiefer ich grub, desto verwirrender wurde die Sache.
    Ich wandte mich wieder den Beweisfotos zu. Eine Panoramaaufnahme der Bar. Die Inneneinrichtung des Barbwire Noose war völlig demoliert worden. Alles, was kaputtgehen konnte, war kaputt. Zerschlagene Stühle. Zerbrochene Tische. Gesplittertes Glas. Löcher in den Wänden. Ein chaotischer Trümmerhaufen, möglicherweise die Überreste eines ehemaligen Billardtisches. Im Wörterbuch wurde der Begriff »Verwüstung« mit genau diesem Bild veranschaulicht.
    Auf einem anderen Foto war ein silbernes Amulett zu sehen, das halb unter Holztrümmern lag. Es war fünf Zentimeter lang und hatte die Form einer Schriftrolle. Auf einer Seite lugte Papier heraus. Solche Amulette waren recht häufig. Die Schriftrolle enthielt ein Stück Papier oder Pergament mit einem Schutzzauber. Unter dem Foto stand: Siehe Beweisstück A.
    Ich öffnete das Bleikästchen. Drinnen lag in einer kleinen Plastikhülle ein Stück Pergament. Es war fünf Zentimeter breit und etwa zehn Zentimeter lang. Die Ränder waren vergilbt und durch zu häufige Handhabung eingerissen.

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