Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
Gothic-Tinker-Bell-Nase, auf der eine winzige Warze prangte. »Du hast doch gar nichts davon mitbekommen.«
Mark warf ihr einen bösen Blick zu. »Ich habe das Ende miterlebt.«
Sie starrten einander an.
»Wir wollen uns nicht streiten«, sagte Saiman. »Diese fünf sind vortrefflich geeignet.«
Er ging neben der Truhe in die Knie. Es war eine große, rechteckige Truhe, die aus altem Holz bestand, das mit Metallstreifen verstärkt war. Saiman schnippte mit den Fingern und zauberte mit der fließenden Grazie eines ausgebildeten Magiers ein Stück Kreide herbei. Er zeichnete ein kompliziertes Symbol auf die Oberseite der Truhe. Aus dem Innern drang ein metallisches Klicken. Langsam und sehr vorsichtig hob Saiman den Deckel an und nahm eine Bowlingkugel heraus. Sie war von blaugrüner Färbung und von einem golden marmorierten Muster durchzogen. Anscheinend war sie bereits kräftig abgenutzt.
»Hast du schon mal von David Miller gehört, Kate?«, fragte Saiman.
»Nein.«
Saiman griff in die Truhe und holte eine grüne Plastikkanne hervor. »David Miller war die magische Entsprechung eines Fachidioten. Alle Tests ergaben, dass er über ein beispielloses magisches Potenzial verfügte. Er strahlte seine Macht beständig aus, wie eine elektrische Lampe Wärme verströmt.« Er stellte die Kanne neben die Bowlingkugel. »Doch trotz zahlreicher Versuche, ihn auszubilden, lernte Miller nie, seine Gabe anzuwenden. Er führte ein völlig normales Leben und starb im Alter von siebenundsechzig Jahren an Herzversagen. Nach seinem Dahinscheiden wurde festgestellt, dass die Gegenstände, mit denen er während seiner Lebenszeit häufiger hantiert hatte, magische Signifikanz angenommen hatten. Die Verwendung dieser Gegenstände zeitigt mitunter verblüffende, gelegentlich sogar nützliche Wirkungen.«
Interessant. »Lass mich raten. Du hast diese Gegenstände ausfindig gemacht und in deinen Besitz gebracht.«
»Nicht alle«, sagte Saiman. »Millers Nachkommen gaben sich größte Mühe, sie zu zerstreuen und sie den unterschiedlichsten Käufern auszuhändigen. Sie waren sich einig, dass es töricht wäre, all diese Macht in die Hände eines Einzelnen zu geben. Aber irgendwann wird meine Sammlung vollständig sein.«
»Warum haben sie diese Dinge überhaupt verkauft, wenn sie sich solche Sorgen gemacht haben?«, fragte Mark.
Saiman lächelte. »Geldmangel ist die Wurzel allen Übels, Mr Meadows.«
Mark blinzelte. Ich vermutete, dass ihn sonst niemand mit seinem Nachnamen ansprach. »Ich dachte, es wäre die ›Liebe‹ zum Geld.«
»Sagt ein Mann, der niemals Hunger leiden musste«, bemerkte Ivera.
»Außerdem«, fuhr Saiman fort, »waren seine Hinterbliebenen um ihre Sicherheit besorgt. Sie fürchteten, von engagierten Interessenten ausgeraubt und ermordet zu werden. In Anbetracht des Wertes dieser Sammlung waren ihre Sorgen durchaus berechtigt.«
Er entnahm der Truhe einen Schlüsselbund und verschloss sie wieder. »Ich brauche eine Karaffe Wasser und fünf Gläser, bitte.«
Ein paar Söldner holten das Gewünschte aus der Cafeteria. Saiman untersuchte den Boden und ging mit dem Stück Kreide in der Hand zur Vordertür. Er zog einen Halbkreis im Abstand von etwa drei Metern um die Tür und zeichnete dann ein merkwürdiges Symbol ein. Anschließend suchte er die Stelle auf, an der Solomon gestorben war, und zog einen größeren Halbkreis darum, sodass die gerade Seite an den Liftschacht grenzte. Diesen Halbkreis füllte er mit kleineren vollständigen Kreisen aus. Ich zählte sie. Zehn.
»Bowlingkegel?«, fragte ich.
»Exakt.«
Saiman kehrte zum Tisch zurück, löste die Schlüssel vom Bund und reichte den vier apokalyptischen Reitern und Mark je einen. »Halten Sie Ihren Schlüssel mit beiden Händen und versuchen Sie sich die Ereignisse in Erinnerung zu rufen. Was haben Sie gesehen? Was haben Sie gehört? Welche Gerüche haben Sie wahrgenommen?«
Saiman füllte das Wasser aus der Karaffe in die von Miller stammende Plastikkanne um.
Ken, der ungarische Magier, betrachtete seinen Schlüssel. »Was für eine Art von Magie ist das?«
»Moderne Magie«, sagte Saiman. »Jedes Zeitalter hat seine eigenen magischen Traditionen. Dies ist die Magie unserer Zeit. Die meisten von Ihnen werden dieses Ritual wahrscheinlich kein zweites Mal erleben. Diese Magie ist äußerst selten und sehr kräftezehrend. Ich praktiziere sie nur für ganz besondere Klienten.« Er lächelte mich an.
Toll! Er hatte soeben allen Anwesenden die
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