Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
die Arme von einem Dutzend Gestaltwandlern. Krallenbewehrte Hände streckten sich mir entgegen, um mir von der Plattform zu helfen. Doch ich schaffte es allein.
»Wie viele sind noch übrig?«, fragte Curran das führende Weibchen.
Sie knurrte, und die nicht aufeinanderpassenden Kiefer schnappten, und dann trat ein Gestaltwandler in Menschengestalt vor. »Zwei Gruppen, gnädiger Herr«, sagte er. »Eine kleine Familie aus Waynesville und neun Leute aus Asheville. Es hat einen schlimmen Erdrutsch gegeben, und sie müssen sich jetzt durch den ganzen Schlamm graben.«
Curran nickte und schlenderte die unbefestigte Straße hinauf, die beiderseits von Gesträuch gesäumt war. In der Ferne hörte ich das abscheuliche Getöse eines Austauschmotors.
»Ein Pferd wäre leiser«, sagte ich.
»Ich mag keine Pferde«, erwiderte er.
Rings um uns her wimmelte es im Gesträuch von kleinen Gestalten. Glühende Augen behielten uns aufmerksam im Blick. Das Rudel machte mobil, zog sich in seine Festung zurück. Kein Gestaltwandler würde außerhalb ihrer Mauern verbleiben, und solange der letzte nicht in der Festung angelangt war, blieben die Wege, die dorthin führten, streng bewacht.
»Niemand kann ewig in voller Alarmbereitschaft bleiben«, sagte Curran, als würde er auf meine Gedanken antworten. »Nachdem wir Olathe getötet hatten, habe ich alles wieder aufgehoben.«
Bloß dass es da noch nicht vorbei gewesen war.
Das Getöse des mit Wasser betriebenen Wagens wurde zu laut, um sich dabei noch zu unterhalten. Als wir um die nächste Ecke bogen, sah ich den Jeep mit dem Austauschmotor, der von drei Wölfen bewacht wurde. Wir stiegen ein, und Curran fuhr uns zur Festung.
Corwin atmete schwer, und in der Krankenstation der Festung hallte sein Atem wider wie das leise Läuten von Totenglocken.
Sein missgestaltetes Gesicht sah abgezehrt aus, grau hing die Haut von den Knochen. Sein fiebriger Blick richtete sich auf mich.
»Der Wald ruft«, flüsterte er. Ich berührte seine Hand, und scharfe Krallen fuhren aus und kratzten mir über die Haut. »Eine gute Jagd«, sagte der Luchswer.
»Er weiß nicht, wer du bist«, sagte Doolittle über meine Schulter.
Vorsichtig befreite ich meine Hand und tätschelte ihm stattdessen den pelzigen Hals
»Jetzt dauert es nicht mehr lange«, sagte Doolittle.
»Ich habe Schmerzen«, krächzte Corwin.
Ich sah zu Doolittle hinüber, aber er schüttelte den Kopf. »Gegen diese Art von Schmerzen kann ich ihm nichts geben.«
»Er war auf einen abgebrochenen Laternenmast gespießt, als wir ihn gefunden haben«, sagte Curran leise.
Corwin bäumte sich auf. Riesige Pranken packten meine Schultern, und grüne, mit einem Mal wieder klare Augen strahlten mich an. »Ich sterbe«, krächzte er.
»Ja«, sagte ich, während Doolittle gleichzeitig »Nein« sagte.
Der Luchs hielt mich fest. »Du bist nie in den Wald gekommen«, sagte er.
»Nein.« Ich hielt ihn ebenfalls. Seine Brust bebte unter den Schmerzen. »Bin ich nicht.«
»Zu schad e … «, murmelte die Katze.
Er erschlaffte in meinen Armen, und ich ließ ihn auf das Kissen sinken. Er zitterte. Dann ergoss sich ein großer Blutschwall auf das Bett, und zurück blieb ein blutender Luchs in verhedderten Verbänden.
»Mist!«, spie Doolittle und schob mich beiseite.
Ich wich vom Bett zurück, und der Arzt griff fieberhaft nach einer Spritze. Curran nahm mich beim Arm und führte mich zu einem anderen Bett.
»Da ist jemand, den du für mich identifizieren müsstest«, sagte er.
In dem Bett lag ein Mann auf dem Rücken, die Decke bis unters Kinn hochgezogen. Seine starre Haltung hatte etwas Unnatürliches. Curran zog die Decke beiseite, und ich sah, dass der Mann ans Bett geschnallt war. Er hatte schmutzig braunes Haar und ein streng blickendes Gesicht. Und er kam mir bekannt vor. Ich hatte ihn schon mal gesehen. Der Mann schlug die Augen auf, ich wich einen Schritt von dem Bett zurück, erkannte ihn sofort anhand des Blicks seiner hellen Augen. Er war der Penner aus Teds Büro. Die Puzzleteile fügten sich ineinander. Wie dumm von mir.
»Wir haben ihn neben Corwin gefunden. Er war bewusstlos«, sagte Curran. »Offenbar hat er sich an dem Kampf beteiligt und wollte Derek verteidigen, aber er weigert sich mir zu sagen, wieso.«
»Bind ihn los«, sagte ich.
Curran sah mich an. »Er hat Schwierigkeiten, sich zu beherrschen.«
»Bind ihn los«, sagte ich noch einmal. »Du solltest keinen Einzelkämpfer des Ordens auf deiner Krankenstation
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