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Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Titel: Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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fast menschlich aus. Mir wurde klar, dass ich voreingenommen war. Voreingenommen gegen Nataraja und seinen Klub der Todesenthusiasten, mit ihrer eiskalten Gleichgültigkeit Tragödien und Morden gegenüber. Für sie war ein ins Jenseits beförderter Vampir oder ein ins Koma geprügelter Geselle weiter nichts als ein Verlust bei einer Investition, kostspielig und unangenehm, doch letztlich nichts, was ihnen nahegegangen wäre.
    Der Mann mir gegenüber hingegen hatte Freunde verloren. Es waren Leute gewesen, die er gut gekannt hatte und die sich ihm anvertraut hatten – nicht einfach nur irgendwelche Investitionen. Die wichtigste Pflicht des Rudelanführers war es schließlich, das Rudel zu beschützen – und er hatte ihnen nicht beistehen können. Während er die Schnappschüsse ihrer Leichen betrachtete, zeigte sich auf seinem Gesicht Entschlossenheit und Wut, kalter Zorn, gewachsen aus Schuldgefühlen und Trauer.
    Ich konnte das nachempfinden. Ich empfand es jedes Mal, wenn ich an Greg dachte. Ich musste von nun an sehr vorsichtig sein, denn ich war nicht mehr neutral. Falls der Herr der Bestien Greg getötet hatte, würde es mir schwerfallen, mich von seiner Schuld zu überzeugen.
    Da hatte ich also tatsächlich in dem Herrn der Bestien einen Gleichgesinnten gefunden. Wie rührend. Gregs Tod führte offenkundig dazu, dass ich allmählich den Verstand verlor. Vielleicht konnte ich dem Mörder den Kopf abhacken, während der Herr der Bestien ihn festhielt.
    »Am Tatort wurden Haare gefunden«, sagte ich. »Die Rechtsmediziner wissen nicht, was sie davon halten sollen. Sie enthalten sowohl menschliche als auch katzenartige Gen-Sequenzen. Sie stammen von keinem Gestaltwandler, der der Rechtsmedizin je untergekommen wäre. Es ist sehr seltsam, und nein, ich habe kein genaues DNA -Profil.«
    »Weiß Nataraja davon?«
    »Ich glaube schon«, sagte ich. »Einer seiner Gesellen nannte mir Corwins Namen. Er hat nicht gesagt, dass sie glauben, er sei es gewesen, aber es ist offensichtlich, dass dem so ist.«
    Ein kleiner Muskel zuckte in seiner Wange, so als wollte er zu einem katzenhaften Knurren ansetzen. »Typisch.«
    »Bist du nun zufrieden?«, fragte ich.
    Er nickte. »Ja, vorläufig schon. Ich werde mich wieder bei dir melden.«
    »Ich komme nicht wieder hierher«, sagte ich. »Unicorn Lane geht mir gegen den Strich.«
    Da leuchteten seine Augen wieder. »Wirklich? Ich finde es ganz erholsam. Eine schöne Gegend. Dazu der Mondschein.«
    »Ich hatte noch nie was übrig für schöne Gegenden. Und beim nächsten Mal hätte ich gern eine offizielle Einladung.«
    Er legte die Fotos beiseite.
    »Darf ich die behalten?«, fragte ich.
    Er schüttelte den Kopf. »Nein. Es ist schlimm genug, dass es sie überhaupt gibt.«
    Ich wandte mich zum Gehen und hielt an der Lücke in der eingestürzten Mauer noch einmal inne. »Eins noch, Majestät. Ich hätte gern einen Namen, den ich in meinen Bericht eintragen kann und der etwas kürzer ist als ›Der Anführer der Gestaltwandler-Fraktion des Südens‹. Wie soll ich dich nennen?«
    »Nenn mich ›Herr‹.«
    Ich verdrehte die Augen.
    Er zuckte die Achseln. »Es ist kurz.«
    Das hier erwies sich allmählich als schwierige Nacht, und sie war noch längst nicht vorüber. Ich stieg über die Trümmer nach draußen. Jim war fort.
    Etwas berührte mich an der Schulter. Ich wirbelte herum und sah den Herrn der Bestien. Er blickte aus der vier Meter entfernten Lücke in der Mauer zu mir herüber.
    »Curran«, sagte er, so als ließe er mir eine große Gunst zuteil werden. »Du darfst mich Curran nennen.«
    Dann verschmolz er mit der Dunkelheit. Ich wartete noch einen Moment lang, bis ich sicher war, dass er fort war. Und niemand stürzte sich aus der Dunkelheit auf mich.
    Jenseits der Unicorn Lane sah ich die blauen Feenlampen der Stadt. Nun wurde es Zeit, den M-Scan meinem Experten zu bringen. Er hatte normalerweise nichts gegen spätabendliche Besuche einzuwenden.
    Champion Heights war leicht zu finden. Es war so ziemlich das einzige Hochhaus in Atlanta, das noch stand. Früher hatte es mal Lenox Pointe geheißen, doch in der Zwischenzeit war es so oft umgebaut worden und hatte so oft den Besitzer gewechselt, dass sich kaum noch jemand an diesen alten Namen erinnerte. Das siebzehnstöckige Gebäude aus roten Backsteinen und Beton ragte wie ein Turm aus dem Märchenland zwischen kunstvoll beschnittenen Nadelbäumen über den Geschäften und Bars im Stadtteil Buckhead in den Himmel. Ein

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