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Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Titel: Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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Ort aussuchen sollen, geschmackvoll dekoriert, wo man unter sich sein und vertrauliche Gespräche führen kann?«
    »Na ja, so was in der Richtung.«
    »Und wieso? Sie haben mich mit einem fiesen Trick dazu gebracht, mit Ihnen essen zu gehen. Da konnte ich doch wohl wenigstens ein Restaurant aussuchen, in dem mir das Essen schmeckt.«
    Er wechselte die Taktik. »Einer Frau wie Ihnen bin ich noch nie begegnet.«
    »Das ist wohl auch besser so. Frauen wie ich schätzen es nämlich nicht, so überfahren zu werden. Die brechen Ihnen wegen so was schnell mal die Beine.«
    »Könnten Sie das wirklich tun?« Er grinste. Flirtete er etwa mit mir?
    »Was?«
    »Mir die Beine brechen.«
    »Unter den entsprechenden Umständen durchaus.«
    »Ich habe einen braunen Gürtel in Karate«, gab er zurück. Er fand meine Harte-Frauen-Nummer offenbar ganz amüsant. »Ich könnte es darauf ankommen lassen.«
    Und auch mir machte es tatsächlich Spaß. Ich schenkte ihm mein schönstes psychotisches Lächeln und sagte: »Ein brauner Gürtel? Beeindruckend. Aber Sie sollten bedenken, dass ich meinen Lebensunterhalt damit verdiene, Beine zu brechen, während Si e … «
    »… Nasen richten?«
    »Nein, ich wollte sagen, Leichen aufhübschen. Aber Sie haben recht: ›Nasen richten‹ wäre die viel bessere Entgegnung.«
    Wir grinsten einander an.
    Da kam Grace, wie gerufen, mit zwei Servierplatten in den Händen. Sie stellte sie vor uns ab und wurde gerufen, ehe sie Crest mit einem weiteren Zahnpastalächeln blenden konnte.
    »Das Essen schmeckt köstlich«, sagte er nach dem zweiten Bissen.
    Und es war zudem auch noch preiswert. Ich hob eine Augenbraue, was heißen sollte: Habe ich doch gesagt.
    »Ich werde nicht mehr versuchen, Sie zu beeindrucken, und Sie versprechen, mir nicht die Beine zu brechen«, schlug er vor.
    »Abgemacht. Wo haben Sie denn so gut Spanisch gelernt?«
    »Von meinem Vater«, sagte er. »Er sprach sechs Sprachen fließend und verstand noch einige andere mehr. Er war ein Anthropologe von altem Schrot und Korn. Wir haben zwei Jahre im Templo Mayor in Mexiko City verbracht.«
    Ich hob abermals eine Augenbraue und stellte ein Fläschchen scharfe Sauce vor ihn hin, das wie eine stilisierte Figurine geformt war.
    »Tlaloc«, sagte er. »Der Regengott.«
    Ich lächelte ihn an. »Erzählen Sie mir von dem Tempel.«
    »Es war heiß und staubig.« Er berichtete mir von seinem Vater, der versucht hatte, ein vor langer Zeit verschwundenes Volk zu verstehen, davon, wie es war, die unzähligen Stufen zur Spitze des Tempels emporzusteigen, wo zwei Schreine auf die Welt hinabblickten, davon, wie er unter dem unergründlichen Nachthimmel neben den mit gemeißelten Figuren überzogenen Tempelmauern eingeschlafen war und von den Gräueltaten der Priester geträumt hatte. Irgendwie bezwang seine Stimme den Lärm im Lokal, dämpfte die Gespräche der übrigen Gäste zu einem Rauschen. Es war so bemerkenswert, dass ich hätte schwören können, es sei Magie im Spiel gewesen, bloß dass ich keine magische Kraft spürte, die von ihm ausgegangen wäre. Vielleicht aber war es dennoch Magie – jene spezielle Form menschlicher Magie –, Magie, die aus menschlichem Charme und aus Gesprächen entspringt und von der ich leider allzu oft nichts wissen wollte.
    Er erzählte, ich lauschte seiner angenehmen Stimme und sah ihm zu. Es ging etwas ausgesprochen Beruhigendes von ihm aus, und ich wusste nicht recht, ob es an seiner umgänglichen Art lag, oder daran, dass er sich überhaupt nicht von mir einschüchtern ließ. Er war witzig, ohne es darauf anzulegen, klug, ohne mit seinem Wissen zu protzen, und er ließ es sich anmerken, dass er nichts von mir erwartete.
    Das Mittagessen zog sich immer mehr in die Länge, und mit einem Mal war es schon fast halb zwei und für mich Zeit zu gehen.
    »Das hat mir großen Spaß gemacht«, sagte er. »Aber ich habe ja auch die ganze Zeit geredet. Sie hätten mich ab und zu auch mal zum Schweigen bringen sollen.«
    »Ich habe Ihnen sehr gerne zugehört.«
    Er sah mich ungläubig an und sagte: »Das nächste Mal sind aber Sie dran mit dem Erzählen.«
    »Das nächste Mal?«
    »Würden Sie auch abends mit mir essen gehen?«
    »Gern«, entfuhr es mir unbedacht.
    »Heute Abend?«, fragte er mit hoffnungsfrohem Blick.
    »Ich versuch’s«, versprach ich und meinte es ehrlich. »Rufen Sie mich so gegen sechs an.« Ich nannte ihm auch meine Adresse, für den Fall, dass die Magie die Telefone lahmlegte.
    Ich bestand darauf,

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