Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
befand sich mit dem Rest meiner Ausrüstung bei mir daheim. Nicht, dass es groß etwas genutzt hätte – nicht inmitten des Rudels. Ich wühlte im Wandschrank herum, wo ich ein paar Kleider zum Wechseln aufbewahrte. Als Greg noch lebte, hatte mir seine Wohnung als letzte Zuflucht gedient, was bedeutete, dass ich meist blutend und mit zerfetzten Klamotten hier aufgetaucht war.
Ich fuhr mit den Händen an den Kleidern entlang, dabei stießen meine Fingerspitzen auf Leder. Eine schwarze Lederjacke. Ich erinnerte mich vage, sie getragen zu haben. Das musste in meiner »Schaut-her-wie-knallhart-ich-bin!«-Zeit gewesen sein. Ich zog sie an und betrachtete mich im Schlafzimmerspiegel. Das Ganze wirkte schon ein wenig aufgesetzt. Und die Jacke war viel zu warm. Aber was soll’s. Besser als nichts. Ich zog die Jacke wieder aus, wechselte mein T-Shirt gegen ein dunkelgraues, ärmelloses Oberteil, legte die Rückenscheide an und zog die Lederjacke wieder über. Jetzt dazu nur noch ein superstraff gebundener Pferdeschwanz und jede Menge Mascara, und ich würde problemlos als fiese Geliebte eines Superschurken durchgehen.
Ich beließ es dann doch bei meinem üblichen Zopf.
Nachdem ich mir das Haar neu gebunden hatte, hielt ich inne und ließ mir durch den Kopf gehen, welches Waffenarsenal mir zu Gebote stand. Ich band mir schmale Armbänder um, die mit Silbernadeln geladen waren, und nahm ansonsten nur Slayer mit. Um mir zweihundert wütende Gestaltwandler vom Hals zu halten, hätte ich eine Kiste Handgranaten und vermutlich auch die Unterstützung der Luftwaffe gebraucht. Es gab keinen Grund, mich mit zusätzlichen Waffen zu belasten. Vielleicht sollte ich jedoch ein Messer mitnehmen. Ein Messer – nur für alle Fälle. Na gut, also zwei. Aber das war’s dann auch.
Ich holte den Wolfsmenschen, und gemeinsam gingen wir das dunkle Treppenhaus hinab und auf die Straße. Ich hielt ihm Betsis Hintertür auf und rutschte auf die Rückbank. Als wir den Parkplatz verließen, klopfte er mir mit einer Pfote auf den Rücken und wies nach links. Ich bog in diese Richtung ab.
Es war nur wenig Verkehr. Vor uns erstreckten sich freie Straßen, erhellt von gelblichem elektrischem Licht. Nur wenige Leute besaßen Autos, die während der Technikphasen funktionierten. Es hatte keinen Sinn, Geld für so etwas auszugeben, denn es war klar, dass die Magie so oder so die Oberhand behalten würde.
Ein alter blauer Honda hielt an einer Ampel auf der Linksabbiegerspur neben uns. Vorne saßen ein Mann und eine Frau und unterhielten sich. Von dem Mann konnte ich nur einen dunklen Umriss erkennen, aber auf dem Gesicht der Frau lag ein glücklicher, fast verträumter Blick, so als erinnerte sie sich gerade an ein schönes Erlebnis. Auf der Rückbank saß ein braunhaariger kleiner Junge.
Jeden Moment würde er das Monster in meinem Auto erblicken. Ich machte mich auf einen Schrei gefasst.
Der Junge spähte herüber und lächelte. Ich sah in den Rückspiegel. Der Wolfsmensch tat, als würde er hecheln, seine schwarzen Lippen zu einem fröhlichen Hundelächeln geformt. Die Dunkelheit im Wageninnern verbarg einen Großteil seines Gesichts, und so sah man von draußen nur die Schnauze und die Augen.
Der Junge sagte etwas. Seinen Lippenbewegungen nach mochte es »braves Hundchen« sein. Dann sprang die Ampel um, und der Honda rauschte in die Nacht davon.
Wir fuhren weiter, nach Nordosten, in Richtung Suwanee. Wir brauchten fast eine Stunde bis zum Lager der Gestaltwandler und mussten dazu die Stadt hinter uns lassen. Von der Fernstraße aus nicht zu sehen, stand die Festung inmitten einer Lichtung, umgeben von einem Wall aus Sträuchern und Eichen, die um Jahrzehnte älter aussahen, als sie eigentlich sein konnten. Das einzige Zeichen für die Existenz dieser Festung war eine einspurige, unbefestigte Straße, die so abrupt vom Highway abging, dass ich sie trotz meines Führers verfehlte und dorthin zurücksetzen musste.
Der Weg führte zu einem kleinen Parkplatz. Ich parkte neben einem alten Chevy-Pick-up und hielt dem Wolfsmenschen die Tür auf. Er stieg aus und hielt dann inne. Vor uns ragte ein bedrohlich wirkendes rechteckiges graues Steingebäude fast zwanzig Meter in die Höhe. Dunkelheit sammelte sich in den schmalen, vergitterten Bogenfenstern. Das Ganze hatte etwas von einem Burgverlies.
Der Wolfsmensch hob seine schmale Schnauze und stieß ein gedehntes Heulen aus. Eine Gänsehaut fuhr mir über den Rücken, Furcht schnürte mir die Kehle
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