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Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Titel: Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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genannt. Sie waren die Außenseiter schlechthin, und das Rudel begegnete ihnen mit Misstrauen und Widerwillen.
    Mahon neigte den Kopf zur Seite und deutete damit an, dass er meine Einschätzung teilte. »Curran tut nichts ohne Grund«, sagte er. »Mir hat man gesagt, du hättest ihn bereits getroffen. Vielleicht hast du ihn bei diesem Treffen indirekt herausgefordert.«
    Indirekt? Ich hatte ihn bewusst herausgefordert.
    »Du kennst dich ungewöhnlich gut mit unseren Bräuchen aus«, fuhr er fort. »Für eine menschliche Außenseiterin. Woher weißt du das alles?« Sein Tonfall klang nicht nach Konfrontation.
    »Von meinem Vater«, sagte ich.
    »Ein Mann des Kodes?«
    »Auf seine eigene Art und Weise. Nicht euer Kode, sondern sein eigener.«
    »Du bist eine gelehrige Schülerin.«
    »Nein«, sagte ich. »Er war ein guter Lehrer. Ich war schwierig.«
    »So sind Kinder manchmal«, sagte er.
    Wir blieben vor einer Tür stehen.
    »Möchtest du Salbe für deinen Arm?«
    Ich besah den knallroten Striemen auf meiner Haut. »Nein. Wenn man sie nicht gleich aufträgt, nützt Salbe nichts mehr. Aber danke für das Angebot.« Ich schüttelte den Kopf. »Sag mal, bist du immer derjenige, der dafür zuständig ist, gereizte Gäste des Rudels zu besänftigen?«
    Er öffnete die Tür. »Nur manchmal. Ich wirke wohl irgendwie beruhigend auf ungezogene Kinder. Bitte.«
    Ich trat durch die Tür, und er schloss sie hinter mir. Es war ein kleiner Raum. Die einzige Lampe warf einen Lichtkegel auf einen Tisch in der Mitte des Zimmers. Zwei Stühle standen an diesem Tisch, und auf dem hinteren saß ein Mann. Er hatte sich absichtlich so gesetzt, dass er nicht im Licht war.
    Das Ganze erinnerte mich an die Agentenfilme, die ich in meiner Kindheit gesehen hatte.
    »Er hat dich ausgetrickst, was?«, sagte der Mann. Seine Stimme hatte etwas Kratziges. »Noch zehn Minuten, und du bist wahrscheinlich so weit, dass du dich entschuldigst.«
    »Das glaube ich kaum.« Ich ließ mich auf dem vorderen Stuhl nieder. Der Mann lehnte sich zurück und blieb im Dunkeln.
    »Nimm’s nicht so schwer. Das macht er mit allen so. Deshalb rede ich nicht mit ihm.«
    »Du bist Corwin?«
    »Nein, ich bin Schneewittchen.« Er schaukelte auf den hinteren Stuhlbeinen vor und zurück.
    »Und wer ist der Mann, der mich hergebracht hat?«
    »Mahon«, erklärte er. »Der Kodiak von Atlanta.«
    »Der Scharfrichter des Rudels?«
    »Eben der.«
    Das musste ich erst mal verdauen.
    »Er hat Curran großgezogen, weißt du«, sagte der Mann.
    »Ach ja? Dennoch sagt er ›gnädiger Herr‹ zu ihm, wie ihr anderen?«
    Der Mann zuckte mit den Achseln. »So ist Curran.«
    »Sie hat leichte Schwierigkeiten, sich das vorzustellen«, sagte Currans Stimme hinter mir.
    Ich war lernfähig. Diesmal zuckte ich nicht zusammen. »Du magst ihr Herr sein. Aber meiner bist du ganz bestimmt nicht.«
    Curran lehnte an einer Wand.
    »Wo sind die anderen?«, fragte ich. Dem hier mussten doch noch mehr Leute zusehen, wahrscheinlich die acht, die mich in dem Raum empfangen hatten, in dem ich mich beinahe um Leib und Leben gequatscht hatte. Das Alphamännchen des Wolfsrudels, der Chef der Ratten, der Sprecher der »Kundschafter«, der kleineren Gestaltwandler, und jemand, der die größeren Tiere vertrat.
    »Sie sehen zu«, sagte Curran und wies mit einer Kopfbewegung auf eine Wand.
    Da erst bemerkte ich den von der Rückseite durchsichtigen Spiegel.
    Ich sah zu Corwin hinüber. »Wieso kommst du nicht ins Licht?«
    »Sicher?«, fragte er.
    »Ja.«
    Er beugte sich vor, bis das Licht über seine Gesichtszüge spielte. Sein Gesicht war abscheulich. Große, gefühllos blickende, tief liegende Augen, von buschigen Brauen überschattet. Seine Nase war riesig, seine Kiefer viel zu massiv und vorragend, um menschlich sein zu können. Er sah aus, als könnte er ohne allzu große Anstrengung einen Stahldraht durchbeißen. Sein rötliches Haar, dicht und von fellartiger Beschaffenheit, war zurückgebürstet und zu einem Pferdeschwanz gebunden. Ein langer Backenbart hing ihm bis fast auf die Brust und umrahmte große, spitze Ohren mit kleinen Haarbüscheln an der Spitze. Das nämliche Haar überzog, nur dichter und kürzer, seinen Hals und seine Kehle und ließ, offensichtlich rasiert, seine Brust frei.
    Seine Hände, die auf der Tischplatte ruhten, waren ungestalt und passten von ihren Proportionen her nicht zu seinem übrigen Körper. Die Finger waren kurz und dick, dennoch hätte er mit jeder Hand meinen ganzen

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