Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
zu. Das Heulen hallte von den Mauern wider und erfüllte die Nacht mit dem Versprechen einer langen, blutigen Jagd. Eine zweite Stimme oben auf der Festung stimmte ein, dann eine dritte irgendwo seitlich, dann eine viert e … Rings um uns her heulten die Wachtposten, und ich stand dort reglos inmitten ihres Geheuls. Ein bisschen sehr dramatisch, aber es hatte die vermutlich erhoffte Wirkung, eine knallharte Frau wie mich in ein verängstigtes Äffchen zu verwandeln, das dort in der Dunkelheit vor sich hin bibberte.
Zufrieden schlenderte mein Führer zu der Festung, und ich folgte ihm und lauschte, wie die Blut-Hymne allmählich in der Nacht verhallte. Der Wolfsmensch blieb vor einer großen Metalltür stehen und klopfte an. Die Tür wurde geöffnet, und wir traten ein, in einen kleinen Raum, der von elektrischen Lampen erhellt wurde.
Eine klein gewachsene Frau mit einem blonden Lockenschopf empfing uns. Zwischen ihr und meinem Führer fand offenbar irgendeine für mich nicht wahrnehmbare Kommunikation statt, dann sah sie mich an. »Hier entlang, bitte.«
Ich folgte ihr durch eine weitere Tür in einen Raum mit rundem Grundriss. Hier führte eine Wendeltreppe nach oben und unten. Ich sah empor, und die Treppenstufen verschwanden in der Dunkelheit.
»Hier entlang, bitte«, sagte die Frau noch einmal und führte mich die Treppe hinab. Einige Etagen tiefer betraten wir einen dunklen Korridor. Dieser endete an einer schweren Holztür. Die Frau öffnete sie und wies mich mit einer Handbewegung an hindurchzugehen.
Vor mir erstreckte sich ein Saal mit diesmal ovalem Grundriss. Er war in den tröstlichen Schein elektrischer Lichter getaucht, der durch Milchglasschirme gemildert wurde. Der Fußboden war ein wenig abschüssig, wie bei einem Hörsaal, und endete an einer ebenen Bühne. Auf der linken Seite der Bühne, neben einer Tür, loderte in einem Kohlenbecken ein Feuer. Der Rauch verschwand in einem Rauchfang. Von dort, wo ich stand, führte eine ebene Rampe auf die Bühne.
Der übrige abschüssige Boden war terrassenförmig gegliedert, und auf diesen fast zwei Meter tiefen »Stufen« ruhten, auf gleichförmigen blauen Decken, die Gestaltwandler. Die meisten hatten menschliche Form angenommen. Manche lagerten dort allein; andere saßen mit ihren Familien beisammen; und jede dieser Familien hatte eine Decke für sich, so als hätten sie sich dort zu einem unterirdischen Picknick eingefunden. Entsetzt stellte ich fest, dass es über dreihundert Gestaltwandler waren. Weit über dreihundert.
Und Curran war nirgends zu sehen.
Die Tür hinter mir fiel mit einem lauten Klacken ins Schloss. Wie ein Mann wandten sich die Gestaltwandler um und sahen mich an.
Ich überlegte, was sie tun würden, wenn ich sie nun fragte, ob sie mir ein Tässchen Zucker pumpen könnten.
Die Tür hinter mir öffnete sich, zwei große Männer kamen herein und bauten sich hinter mir auf. Ich verstand den Wink und stieg zur Bühne hinab. Vor mir erhoben sich etliche Männer von ihren Decken und stellten sich mir in den Weg.
Das Begrüßungskomitee. Wie reizend.
Ich blieb vor ihnen stehen. »Ihr steht mir im Weg«, sagte ich.
»Echt?« Der junge Mann war höchstens achtzehn, hatte ein freimütiges Gesicht und schulterlanges braunes Haar. Seine braunen Augen lachten mich an, und da war mir klar, dass das Ganze eine abgekartete Sache war. Und ich wusste auch, wer dahintersteckte. Ohne Currans Anweisung hätten die hier sich doch nicht mal die Nase geschnäuzt.
»Echt«, sagte ich und wusste schon, was jetzt kommen würde.
»Also von meiner Warte sieht’s so aus, dass du im Weg stehst«, sagte ein älterer, untersetzter Mann. Seine Mundwinkel zuckten, und er versuchte ein Lächeln zu unterdrücken. Dieses Spielchen machte ihm offenkundig Spaß.
Ein großer Mann mit zottigem, rotem Haar rief von seiner Decke: »Hey, Mik, wirst du wohl einer Dame den Weg frei machen?«
»Dame? Ich sehe hier keine Dame.« Der stämmige Kerl grinste mich anzüglich an.
Eine Woge von Buhrufen und Knurren lief durch den Saal, so plötzlich, als sei es womöglich von einem Stichwort ausgelöst worden. Mik blickte mich weiter abschätzig an. Selbst dieser Blick schien einstudiert. Das alles wirkte nicht bedrohlich, sie wollten nur sehen, wie ich darauf reagieren würde. Ich musste mir schnell etwas einfallen lassen und durfte nicht mit unverhohlener Gewalt darauf einsteigen, sonst würde das Rudel niemals mit mir kooperieren. Die ganze Situation war auf
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