Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
Schultern.
»Greif ihm unter die Arme«, sagte ich.
Er sah mich an, mit verängstigtem Blick, schob dann den Unterkiefer vor und griff mutiger zu.
»Bei drei«, murmelte ich. »Eins, zwei, drei.«
Wir hoben ihn an. Die Welt geriet in einem Strudel aus Schmerzen ein wenig ins Wanken, dann hing Derek über dem Rücken meiner Stute. Er würde wieder gesund werden. Der Lyc-V würde ihn heilen, und am nächsten Morgen wäre er wieder wie neu. Ich hingege n … Ein feuchter Blutfleck breitete sich mit beängstigender Schnelligkeit unter meiner Jacke aus. Wenn das Blut anfangen würde herabzutropfen, steckte ich richtig in Schwierigkeiten. Na, wenigstens spürte ich die Schmerzen noch.
»Danke«, murmelte ich den Jungs zu.
»Ich heiße Red«, sagte der Junge mit den Federn im Haar. Ich schob eine Hand in meine Hosentasche und fischte eine Karte hervor. Bevor ich sie ihm gab, wischte ich vorsichtig das Blut ab. Es war Dereks, nicht meins.
»Wenn du mal Hilfe brauchst«, sagte ich.
Er nahm sie mit ernstem Blick und nickte.
Im Treppenhaus war es stockfinster.
Ich stieg die Treppen hinauf, den schweren Derek über der Schulter. Wenn ich mich im richtigen Winkel vorbeugte, war der Schmerz erträglich, und so schleppte ich Derek und meine Tasche die Treppe hinauf, eine Stufe nach der anderen, wobei ich mir Mühe gab, den richtigen Winkel zu halten, und sehr vorsichtig darauf achtete, wo ich hintrat. Ich wusste nicht mit Sicherheit, ob ein Werwolf einen Genickbruch überleben konnte. Ich konnte es nicht, so viel war mir klar.
Auf dem vorletzten Treppenabsatz hielt ich inne, um Luft zu schnappen, und sah zu meiner Wohnungstür hinauf.
Dort saß ein Mann auf der Treppe, den Kopf an die Wand gelehnt.
Vorsichtig legte ich Derek auf dem Boden ab und zog mein Schwert. Die Brust des Mannes hob und senkte sich langsam. Ich schlich die Treppe hinauf, atmete durch zusammengebissene Zähne, bis ich sein Gesicht erkennen konnte. Crest. Er wachte nicht auf.
Ich klopfte ihm mit der flachen Seite der Schwertklinge an den Kopf. Ich erwachte stets mit einem Schlag und lautlos, und meine Hand tastete nach meinem Schwert, noch bevor ich die Augen aufschlug. Crest erwachte wie jemand, der nicht an Gefahren gewöhnt war, mit luxuriöser Langsamkeit. Er blinzelte, unterdrückte ein Gähnen, sah mich mit zusammengekniffenen Augen an.
Ich ließ ihm Zeit, mich zu erkennen.
»Kate?«
»Was machen Sie hier?«
»Ich wollte Sie zum Essen abholen. Wir waren verabredet.«
Mist. Das hatte ich vollkommen vergessen.
»Ich wurde bis zehn Uhr aufgehalten«, fuhr er fort. »Ich hab Sie angerufen, aber Sie sind nicht rangegangen. Da war es eigentlich schon zu spät, aber ich dachte, ich komm mal vorbei und bringe ein Friedensangebot mit.« Er hob eine Papiertüte voller kleiner weißer Kartons hoch, die mit einem roten chinesischen Schriftzeichen verziert waren. »Aber Sie waren nicht da. Ich dachte, ich warte mal ein paar Minuten, und hab mich auf die Treppe gesetz t … « Jetzt erst bemerkte er meine blutbefleckten Kleider, das Schwert und das getrocknete Blut auf meinem Gesicht. Er riss die Augen auf.
»Sind Sie okay?«
»Ich werd’s überleben.«
Ich schloss meine Wohnungstür auf und deaktivierte das Wehr.
»Unten auf dem Treppenabsatz liegt ein nackter Mann«, sagte ich, in der Hoffnung, irgendwelchen Fragen zuvorzukommen. »Den werde ich jetzt in diese Wohnung tragen.«
Crest warf das chinesische Essen in meinen Wohnungsflur und ging, ohne ein Wort zu sagen, die Treppe hinab, um Derek zu holen. Gemeinsam trugen wir ihn hinein und legten ihn auf den Teppich im Flur. Dann schloss ich vor der Welt die Tür und atmete tief durch.
Ich trat mir die Schuhe von den Füßen und schaltete die Feenlampe ein. Meine Schuhe waren schon wieder blutbefleckt. Na ja, nichts, was man nicht mit viel Bleiche herausbekäme.
Die Feenlampe tauchte die Wohnung in einen tröstlichen, schummrigen Lichtschein. Crest kniete sich hin, um Dereks Bein zu untersuchen.
»Er muss sofort in die Notaufnahme«, sagte er. Seine Stimme hatte nun den forschen, distanzierten Tonfall, den gute Ärzte in Stresssituationen an den Tag legten.
»Nein, muss er nicht.«
Er sah mich an. »Kate, diese Schnittwunde ist tief und verschmutzt, und wahrscheinlich wurde die Schlagader durchtrennt. Er wird verbluten.«
Ein leichter Schwindel packte mich, und ich schwankte ein wenig. Ich hätte mich gerne hingesetzt, aber Sofas und Sessel waren erheblich schwieriger zu bleichen als
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