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Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Titel: Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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erreichten schließlich das Hirn und durchdrangen das tote Gewebe. Ich lenkte sie, bis der ganze Kopf von Magie durchströmt war. Meine Fingerspitze berührte die lederne Haut auf der Stirn des Vampirs, hinterließ dort einen Blutfleck und jagte einen Schock der Magie durch das untote Fleisch.
    »Erwache!«
    Die toten Augen klappten auf. Das grauenhafte Maul öffnete und schloss sich, ohne einen Laut von sich zu geben, verzerrte sich dabei mit widernatürlicher Elastizität.
    Crest fiel vom Stuhl.
    Die Augen des Vampirs starrten mich an.
    »Wo ist dein Herr? Zeig mir deinen Herrn!«
    Dunkle Magie ging von dem Kopf aus, hüllte den Raum ein. In der Ecke sog Crest hektisch Luft ein.
    Ein Beben lief durch den Kopf. Die Augen traten aus den Höhlen. Die schwarze Zunge, lang und flach, hing zwischen den reptilienartigen Lippen heraus, und die sichelförmigen Zähne bissen hinein, doch es kam kein Blut. Von den Zähnen aufgespießt, stieß die Zunge widerliche Obszönitäten aus.
    Ich konzentrierte mich, ballte meine Macht.
    »Zeige mir deinen Herrn!«
    Das Weiß der Vampiraugen lief rot an. Blut floss aus dem, was einst Tränenkanäle gewesen waren. Das Blut lief an dem Gesicht herab und auf das Kräuterbett, mischte sich mit dem Strom von Blut, der aus dem Halsstumpf drang. Die stinkende Flut hob die getrockneten Kräuter empor, ergoss sich von dort in das Glyzerin und bildete auf dessen Oberfläche einen unregelmäßigen Fleck. Das Blut färbte sich dunkel, bis es beinahe schwarz war, dann erblickte ich darin ein verzerrtes, aber unverkennbares Bild: ein eingestürzter Wolkenkratzer mit einem runden, roten Coca-Cola-Logo, das halb in den Trümmern begraben lag.
    Unicorn Lane. Die ewige Unicorn Lane.
    Der Kopf zuckte. Die Schädelknochen knackten wie eine Nussschale. Das Fleisch des Gesichts löste sich ab und fiel in Streifen auf die Kräuter hinab. Die freigelegte gallertartige Hirnmasse blickte durch den geborstenen Schädel. Fäulnisgestank erfüllte die Küche. Ich warf einen Plastikmüllbeutel über den Kopf, drehte das Tablett um und kippte den Kopf und die Kräuter hinein. Dann knotete ich den Beutel zu und stellte ihn in eine Ecke. Das Blut in dem Glyzerin war zu einer widerlichen Masse geronnen. Ich spülte es im Ausguss hinunter.
    Crest rieb sich das Gesicht.
    »Ich hab dich gewarnt.«
    Er nickte.
    Ich wusch mir die Hände und die Unterarme ausführlich mit frisch duftender Seife, ging dann ins Wohnzimmer und sah unterwegs nach Derek. Er schlief wie ein Baby. Ich setzte mich auf die Couch und schloss die Augen. Das war der Punkt, an dem die Männer normalerweise die Biege machten.
    Ich saß dort und ruhte mich ein wenig aus. Das sexuelle Verlangen war mir vergangen und kam mir nun irreal vor, entschwunden wie ein halb vergessener Traum.
    Ich hörte, wie Crest ins Zimmer kam. Er setzte sich neben mich.
    »Das machst du also?«, sagte er.
    »Ja.«
    Wir saßen ein paar Atemzüge lang schweigend da.
    »Damit kann ich leben«, sagte er.
    Ich schlug die Augen auf und sah ihn an. Er zuckte die Achseln. »Ich werd mir das nicht noch mal ansehen. Aber ich kann damit leben.« Er beugte sich vor, stützte die Ellbogen auf die Knie. »Ist es dir schon mal passiert, dass du jemandem begegnet bist und irgendwie gespürt has t … ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll, die Chance gespürt hast, etwas zu haben, das dir fehlt? Ach, ich weiß nich t … Vergiss bitte, dass ich das gesagt habe.«
    Ich wusste, was er meinte. Er schilderte den Moment, in dem einem klar wurde, dass man einsam war. Eine Zeit lang kann man allein sein, und es ist wunderbar, und man käme nie auf die Idee, dass man irgendwie anders leben könnte, und dann lernt man jemanden kennen, und plötzlich fühlt man sich einsam. Das versetzt einem einen Stich, es ist ein beinahe körperlicher Schmerz, und man fühlt sich beraubt und ist gleichzeitig wütend, beraubt, weil man mit diesem Menschen zusammen sein will, und wütend, weil seine Abwesenheit einem wehtut. Es ist ein seltsames Gefühl, es gleicht der Verzweiflung, ein Gefühl, das einen dazu bringt, neben dem Telefonapparat zu warten, obwohl man ganz genau weiß, dass der Anruf erst in einer Stunde kommen wird. Doch ich würde mich nicht aus dem Gleichgewicht bringen lassen. Noch nicht.
    Ich rutschte zu ihm und lehnte mich an seine Schulter. Uns war beiden klar, dass Sex jetzt nicht infrage kam.
    »Würde es dich stören, wenn ich trotzdem bleibe?«, fragte er.
    »Nein.«
    Und dann schlief ich

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