Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
um sich überhaupt noch um mich zu scheren. Ich winkte einen Einspänner heran und zahlte dem Kutscher fünfzig Dollar, damit er mich zur nächsten Erdstrahlenader brachte.
Kapitel 9
I ch saß auf meiner Veranda, trank abwechselnd einen Schluck Boone’s Farm Hard Lemonade und einen Schluck Boone’s Farm Sangria und schaute in die Nacht hinaus. Es war ganz still. Der Abendwind hatte sich gelegt, und nicht einmal die Grashalme auf meinem Rasen regten sich mehr. Ich trank einen großen Schluck Sangria und dann noch einen Schluck Limonade. Es war viel mehr, als ich vertrug. Ich wollte dafür sorgen, dass sich mein Körper genauso mies fühlte wie mein Geist. Ich wünschte, ich hätte Bier im Haus gehabt, um damit die Weinbowle runterspülen zu können. Dann wäre mir noch schneller schlecht geworden.
Ich hatte wirklich eine ganze Menge geleistet. Es fiel mir schwer, dort zu sitzen und nicht stolz auf mich zu sein. Ich hatte Gregs Mörder nicht gefunden. Er würde weitermorden, würde junge Frauen und Gestaltwandler töten, und ich wusste nicht einmal, wo ich nach ihm suchen sollte. Ich hatte das bisschen Glaubwürdigkeit verwirkt, das ich in den Augen des Rudels einmal besessen hatte. Ebenso sah es beim Orden aus. Und ich hatte was laufen gehabt mit einem netten Kerl. Es war nicht perfekt gewesen, aber er hatte mich gemocht . Er hatte sich Mühe mit mir gegeben. Ein ganz normaler, anständiger Mann. Und ich hatte unsere Beziehung unwiderruflich ruiniert. Er war kein Teil meiner Welt gewesen, dennoch hatte ich ihn da mit reingezogen. Zu meinen Bedingungen.
Ich hob eine der Flaschen an den Mund und schluckte und schluckte, ohne etwas zu schmecken, dann reckte ich die Flasche zu den Bäumen hin. »Gut gemacht!«
Die Bäume erwiderten nichts. Ich schüttelte den Kopf und griff nach der anderen Flasche.
Und da sah ich das Monster in meinem Vorgarten.
Es hockte auf den Hinterbeinen und nahm schnuppernd Witterung auf. Ein großes Vieh, mindestens siebzig Kilo schwer. Langes, gräuliches Fell wuchs fleckig auf dem schlanken Leib. Zwischen diesen unregelmäßigen Flecken zeigte sich helle, runzlige Haut, vor allem auf dem Bauch, der von langen, gefurchten Narben überzogen war. Aus dem Genick des Wesens ragte ein kleiner Buckel, dort war das Fell länger und dichter und bildete eine Mähne, die den großen Kopf umrahmte, der von runden, menschlich wirkenden Augen gekrönt war.
Die Hinterbeine des Wesens waren massiv und muskulös und ein wenig hundeähnlich geformt, aber mit längeren Zehen. Die Vorderpfoten, kleiner und auf bestürzende Weise menschenähnlich, hielten etwas Dunkles gepackt. Ich sah genauer hin. Der feuchte, pelzige Klumpen erwies sich als Eichhörnchen. Das Wesen schnupperte mit seiner langen, runzligen Schnauze an seiner Beute, riss das riesige Maul auf und schlug die Zähne in das Nagetier. Das widerliche Geräusch knackender Knochen durchbrach die Nachtstille.
Das Wesen kaute mit Genuss, drückte dabei den blutigen Rest, den es in den Pranken hielt, und sah mich an. Die kleinen, blutunterlaufenen Augen, die mich aus dem Gesicht dieses Monsters ansahen, waren unbestreitbar menschlich. Wenn man einem Gestaltwandler in die Augen blickte, sah man darin eine Bestie, die sich befreien wollte. Doch als ich diesem Wesen in die Augen sah, leuchtete dort eine nicht unerhebliche Intelligenz.
Das Ding hob sein schreckliches Maul gen Himmel und gab ein unheimliches, gedehntes Geräusch von sich, so als würden ein Dutzend Stimmen die gleichen Worte gleichzeitig in einem Dutzend Sprachen sprechen. Und dann wandte es sich wieder dem Eichhörnchen zu und biss ein Stück davon ab.
Dann drang ein leises, krallenartiges Scharren an mein Ohr. Ich sah mich um. Groteske Gestalten verbargen sich in den dunklen Ecken, manche klein, andere groß. Sie hockten auf den Geländern, sie schlichen unten um die Treppenstufen und duckten sich unter den Wagen in der Auffahrt, huschten überall rings um mich her.
Ich setzte die Flasche an den Mund und trank, und die Monster kamen näher.
»Der arme Crest«, murmelte eine samtige Stimme. »Jetzt bin ich schon dreihundert Jahre auf der Welt, aber ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so lauthals gelacht habe.«
Ich setzte die Flasche ganz langsam ab und blickte in die Richtung, aus der die Stimme kam. »Du bist es«, sagte ich. »Da wäre ich niemals drauf gekommen.«
Bono lächelte mich an, zeigte mir seine Zähne, die weiß und unmenschlich scharf waren.
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