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Stadt der Fremden

Titel: Stadt der Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Gemeinplätze.
    »Avice!«, rief Wyatt, als ich durchkam. »Gott sei Dank haben Sie mich angerufen. Es will einfach keiner rangehen, wenn ich versuche, mit jemandem zu reden. Verdammt noch mal, Avice, was geht da vor?«
    Er war sogar noch mehr als ich abgeschnitten. Er und seine wenigen Assistenten hatten natürlich Büros im Herzen der Botschaft. Doch einige vom Personal schrieben ihm die Schuld zu, andere wollten ihn aus dem heraushalten, was auch immer geschah, und alle stimmten darin überein, dass sie sich ohne ihn beraten sollten. Ihnen gelang dies, ohne jemals ganz das Gesetz zu brechen, das ihn – ihren Aufseher aus Bremen – über sie stellte.
    Wie es ihre Pflicht war, hatten sie eine Liste mit all den vielen täglichen Besprechungen herumgehen lassen. Wyatt hatte zu allen, die in Hauptsälen stattfanden, Beamte geschickt und war selbst zu einer Sitzung gegangen, die den Titel »Notfall-Organisation« trug. Er entdeckte, dass all diese Treffen Nebenkriegsschauplätze waren: bemüht improvisierte Diskussionsrunden zwischen Personalmitarbeitern mittlerer Ebene über Themen wie beispielsweise die Beschaffung von Büromaterial. Die echten Aussprachen – Manöverkritiken zu der Feier und Hypothesen über das Schweigen der Gastgeber – hatten bereits stattgefunden, während der Treffen des Komitees über öffentliche Bauarbeiten, und zwar bei den Sitzungen über »Alle weiteren Angelegenheiten«.
    »Es ist ein verdammter Skandal, Avice!«, rief er aus. »Das ist genau die Art von Dingen, die aufhören müssen, das ist genau die Sorte von Dingen, wegen denen wir geschickt wurden. Sie haben ein Komplott geschmiedet, um mich außen vor zu halten. Ich bin ihr Scheiß-Vorgesetzter! Ganz zu schweigen davon, was sie EzRa antun. Diese Männer sind ihre Kollegen, und sie ächten die beiden! Es ist eine Schande.«
    »Wyatt, warten Sie. Wo sind EzRa?«
    »Ra ist in seinem Zimmer, oder er war jedenfalls da, als ich ihn angerufen habe. Und Ez – das weiß ich nicht. Ihre Kollegen …«
    »Sie sind nicht meine …«
    »Ihre Kollegen sind dabei, sie hinauszuekeln. Ich bin sicher, sie würden sie gefangen setzen, wenn sie könnten. Ez antwortet nicht, und ich kann ihn nicht finden.«
    Die Vorstellung von einem Botschafter, der getrennte Zimmer hatte und verschiedene Sachen machte, brachte mich immer noch durcheinander. »Wissen die beiden, was vor sich geht?«
    »Glauben Sie nicht, dass sie mir das sagen würden?«, entgegnete Wyatt. »Es ist schließlich nicht so, dass jeder hier versucht, mich auszuschließen, verstehen Sie – nur Ihre Scheiß-Botschafter. Was auch immer es ist, was die da aushecken …«
    »Wyatt, beruhigen Sie sich. Was auch immer vor sich geht, man kann sehen, dass das Botschaftspersonal nicht mehr Kontrolle ausübt als Sie.« Er musste gewusst haben, dass die Botschaft seit jenem Abend keinerlei Art von Kontakt zur Gastgeberstadt gehabt hatte. »Die Gastgeber sagen nichts. Ich denke …«, erklärte ich vorsichtig, »ich denke, dass EzRa – oder wir – zufällig etwas getan haben müssen, was sie beleidigt hat … sehr beleidigt.«
    »Ach, Quatsch«, erwiderte Wyatt, und ich blinzelte. »Das ist nicht eine von diesen Geschichten, Avice. Ein Moment der Tollpatschigkeit, Captain Cook beleidigt die Scheiß-Einheimischen, ein falscher Zungenschlag oder ein Missbrauch des heiligen Bestecks, und – peng! – ist er auf dem Bratrost. Haben Sie je daran gedacht, wie selbstherrlich dieses Zeug ist? Oh, all diese Geschichten täuschen vor, Schuldeingeständnisse wegen kultureller Gefühllosigkeit zu sein – Huch, wir haben das Falsche gesagt . Doch sie handeln in Wirklichkeit alle davon, wie lächerlich Eingeborene überreagieren.« Er lachte und schüttelte den Kopf. »Avice, wir müssen im Laufe der Jahre Tausende Male Mist wie diesen gebaut haben. Denken Sie darüber nach. Genauso wie unsere Besucher es getan haben, als sie das erste Mal auf unser Stück Land, auf Terre, getroffen sind. Und größtenteils haben wir keine Scheiße abgezogen, nicht wahr? Die Ariekei – und die Kedis, Shur’asi und Cymar und so weiter … ziemlichviele von all den Außerirdischen, mit denen ich jemals zu tun hatte – sind vollkommen in der Lage zu verstehen, wann eine Beleidigung beabsichtigt ist und wann es sich um ein Missverständnis handelt. Hinter jeder Ku- und Lono-Geschichte steckt … ein kleiner Diebstahl und Kanonenfeuer.« Ironisch fügte er noch hinzu: »Glauben Sie mir, es ist mein Job.« Er ahmte die

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