Stadt der Fremden
treten? Sie schrien sie an, zu bleiben und zu reden. EdGar und LoGan kreischten, JoaQuin und AgNes … versuchten, überzeugender zu sein. Doch die Gastgeber marschierten einfach wieder nach draußen. Ich und Ez fragten, was wir tun sollten, und CalVin und ArnOld sagten, wir hätten schon genug getan.« Er hielt den Kopf in seinen Händen. »Jetzt sprechen nicht einmal MagDa zu uns. Ich habe sie seit Tagen nicht mehr gesehen. Wollen Sie nicht wissen, was vor sich geht?«
»Natürlich«, antwortete ich. »Seien Sie nicht albern.«
»Es gab eine Menge Geschrei.«
»Wer ist Redies?«, erkundigte ich mich.
»Ich weiß es nicht«, erwiderte er. »Warum?«
»CalVin und HenRy haben sie erwähnt«, sagte ich. Simmons halb gehörte Erkenntnis. »Ich denke, sie könnten es sein, die man finden muss. Ich glaubte, Sie wüssten …«
»Meinen Sie Redies oder CalVin oder HenRy sind diejenigen, die man finden müsste?«
»Ich weiß es nicht«, entgegnete ich. »Ja.« Ich zuckte mit den Schultern. Ja, warum nicht?, dachte ich.
»Ich glaubte, Sie könnten helfen«, erklärte Ra. »Die Leute haben eine Menge Vertrauen in Ihre Fähigkeiten.«
»Haben die Leute Ihnen verraten, dass ich floaken kann?«, fragte ich. »Ich wünschte, ich hätte ihnen dieses Scheißwort niemals gesagt. Sie glauben jetzt, dass ich alles kann. Es sei denn, sie glauben es nicht wirklich und wollen nur die Gelegenheit haben, ›floaken‹ zu sagen.«
»Sie sprechen zu den Außerirdischen«, sagte Ra. »Die Botschafter haben die Kedis und die anderen wissen lassen, dass etwas geschieht. Sie haben offenkundig gehofft, sie würden die Dinge unter Kontrolle bekommen, doch …«
Meine Türschelle klingelte erneut.
»Warte«, bat er. Er war bereits auf den Beinen und im nächsten Moment nicht mehr im Zimmer.
Ich öffnete meine Tür. Vor mir standen Polizisten und Sicherheitsbeamte. Einige der Männer waren jünger als ich und blickten schüchtern.
»Miss Benner Cho?«, fragte einer von ihnen. »Tut mir leid, Sie zu stören. Ich glaube … äh … Ist Ra hier?« Wegen des Fehlens einer Höflichkeitsform geriet er ins Stottern.
»Avice, wo ist er?«
Ich kannte diese Stimme. »MagDa?«, sagte ich. Hinter der Eskorte hatte ich sie nicht gesehen.
Die Botschafterin bahnte sich ihren Weg nach vorn. »Wir müssen mit Ihnen reden.« »Dringend.«
»Hallo.« Es war Ra, der hinter mir auftauchte. Ich drehte mich nicht um.
»Ra.« Ich dachte, sie würden wütend sein, doch Mag und Da blickten nur erleichtert, als sie ihn sahen. Gefühlvoll. »Da bist du ja.« »Du musst zurückkommen.«
»Sie benötigen Schutzhaft , Sir«, verkündete ein Beamter. MagDa schien wirklich verärgert darüber zu sein, aber sie unterbrach den Mann nicht. »Zu Ihrer Sicherheit. Bis wir die Dinge unter Kontrolle haben. Bitte kommen Sie mit uns.«
Ra richtete sich zur vollen Größe auf. Der Beamte hielt seinem Blick stand. Ra nickte mir einen Moment später zu und ließ sich von ihnen ergreifen.
Ich nickte zurück. Ich war irgendwie enttäuscht von ihm.
Als sie ihn wegführten, banden sie seine Hände nicht zusammen. Respektvoll gingen sie neben ihm her, als wären sie das, was sie gesagt hatten – eine Schutztruppe. Es war eine Art Höflichkeit, wie ich vermute, obwohl ich nicht glaube, dass auch nur irgendjemand mit einem flüchtigen Verständnis der Politik von Botschaftsstadt diese Tatsache nicht erkannt haben würde: Ra stand mehr oder weniger unter Arrest. Ich sah zu, wie er fortging, um sich Ez zuzugesellen und vielleicht auch Wyatt, und zwar in Räumen – da war ich mir sicher –, die gewissenhaft und gut gehütet waren, die von außen verschlossen und bewacht würden.
Einstmals, 6
In seinen religiösen Gesetzen war Botschaftsstadt ein Ableger von Bremen. Es gab keine etablierte Kirche, doch wie bei vielen kleineren Kolonien gehörte zu ihren Gründern eine akzeptable Minderheit von Gläubigen. Die Kirche von Gott Pharotekton war einer offiziellen Kirchengemeinde so nahe, wie es bei uns nur möglich war. Zwischen den Dächern von Botschaftsstadt ragten ihre Leuchttürme hervor, deren Leuchtfeuer sich drehten – rotierende Lichtspeichen in der Nacht.
Es gab andere Kirchengemeinden: kleine Synagogen, Tempel, Moscheen und Kirchen, die eine kleine Schar regelmäßiger Besucher vorweisen konnten. In jeder Tradition trotzte eine Handvoll Ultra-Orthodoxer jeglicher gottlosen Neuerung: Sie bemühten sich, religiöse Kalender beizubehalten, die auf Bremens
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