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Stadt der Fremden

Titel: Stadt der Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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hielt nach irgendeinem Ort zum Landen Ausschau. Geschlagen kehrte er schließlich zurück. Die Botschafter an Bord mussten beim Überfliegen Nachrichten nach unten zu den verschiedenen Hauskörpern gesendet haben; sie blieben ohne Antwort.
    Es gab wahrscheinlich immer noch sehr viele Botschaftsstädter, die nicht wussten, dass etwas nicht stimmte. Die offizielle Presse war loyal oder untüchtig. Doch es waren viele Leute auf dem Fest gewesen, und Geschichten wurden verbreitet.
    Die Sonne stieg immer noch auf, die Läden verkauften Waren, und die Leute gingen zur Arbeit. Es war eine langsame Katastrophe.
    Ich rief die Nummer an, die Ehrsul mir gegeben hatte. Sie hatte sie einem vor Kurzem unvollkommen upgegradeten Netz entnommen und mir erzählt, dass sie Ez gehörte. Er – oder wer auch immer es war, den ich anzurufen versucht hatte – antwortete nicht. Ich fluchte ausdauernd, so ruhig, wie ich es nur vermochte, und probierte es wieder und wieder: ohne Erfolg.
    Später erfuhr ich, dass an jenem Tag die Botschafter aus Verzweiflung zu Fuß in die Gastgeberstadt gingen. Paare verzweifelter Doppel behelligten die Gastgeber, die sie trafen, redeten in Sprache zu ihnen durch die Sender ihrer Äoli-Helme und erhielten höfliche Nicht-Antworten, stießen auf Unverständnis oder bekamen nicht hilfreiche Andeutungen zu der Katastrophe.
    Jemand kam zu meinem Haus. Ich öffnete die Tür: Es war Ra, der dort auf meiner Schwelle stand. Lange Sekunden starrte ich ihn schweigend an.
    »Sie sehen überrascht aus«, sagte er.
    »Untertreibung«, erwiderte ich und trat für ihn zur Seite. Ra hielt sein Kommunikationsgerät in der Hand und steckte es nicht ein. Er tat so, als ob er es ausschalten würde, dann ließ er es jedoch an. »Man versucht, Sie zu erreichen?«, fragte ich.
    »Nur Wyatt«, antwortete er.
    »Wirklich? Kein anderer? Keine Botschafter? Sie werden nicht verfolgt?«
    »Wie geht es Ihnen?«, erwiderte er. »Ich habe gedacht …«
    Wir saßen eine lange Zeit auf Stühlen und sahen uns an. Er blickte über seine Schulter zurück, und das mehr als einmal. Es gab dort nichts als meine Wand.
    »Wo ist Ez?«, erkundigte ich mich.
    Er zuckte mit den Schultern. »Er ist hinausgegangen.«
    »Sollten Sie nicht zusammen sein?« Als er diese Geste wiederholte, fuhr ich fort: »In der Botschaft? Hören Sie, Ra, wie sind Sie hinausgelangt? Ich hätte gedacht, Sie wären von denen weggeschlossen worden.« Wenn die Verantwortung bei mir gelegen hätte, hätteich EzRa eingesperrt, um die Situation zu kontrollieren oder sie einzugrenzen, wie auch immer die Lage aussah. Vielleicht hatten sie es ja versucht. Doch wenn Ra die Wahrheit erzählte, waren beide Hälften des neuen Botschafters weggekommen.
    »Ja, nun«, begann er. »Sie wissen schon. Was sein muss … Ich wollte nur … Ich musste mich trennen.«
    Eine Sekunde musste ich darüber lachen. Da steckte vermutlich eine längere Geschichte dahinter. »So«, sagte ich schließlich. »Wie gefällt Ihnen unsere kleine Stadt?«
    Er lachte seinerseits. »Jesus«, entfuhr es ihm. Als ob er etwas Gutes und Unerwartetes gesehen hätte.
    Draußen erklangen Möwen. Sie drehten ab und flogen stetig auf das Meer zu, das sie in kilometerweiter Entfernung erblickten. Immer wieder wurden sie zur Umkehr gezwungen von den geformten Winden und vom Äoli-Hauch. Sehr selten geschah es, dass eine von ihnen in die eigentliche einheimische Luft ausbrach und starb.
    »Sie müssen mir helfen«, erklärte er. »Ich muss wissen, was vor sich geht.«
    »Machen Sie Witze ?«, entgegnete ich. »Was glauben Sie, was ich weiß? Das ist eine Komödie von Irrtümern. Was, glauben Sie, habe ich versucht herauszufinden, Herrgott noch mal? Warum sind Sie überhaupt zu mir gekommen?«
    »Ich habe mit jedem gesprochen, den ich finden konnte, der auf jenem Fest war …«
    »Sie haben nicht allzu gründlich gesucht, nicht wahr, wenn Sie einfach nur zu mir kommen.«
    »Ich meine das ganze Personal und andere Leute von der Botschaft. Die ganz hoch oben würden mir nichts sagen, und der Rest … Ein paar von denen haben mir geraten, mit Ihnen zu reden.«
    »Nun, ich weiß nicht, warum. Ich dachte, Sie stünden im Zentrum von allem. Ich dachte, Sie …«
    »Wer auch immer da oben etwas weiß, mir sagen sie es nicht. Uns. Aber diese anderen, sie … sie haben behauptet, Sie kennen Leute, Avice. Botschafter. Und dass Leute Ihnen Sachen erzählen.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Das ist nur das Charisma des Außenseiters.« Ich

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