Stadt der Lügen
Sachen, die sie mitnehmen wollte. Wenn der Mord als Tat eines Eindringlings durchgehen sollte, den Lenore auf frischer Tat ertappt hatte, dann wäre es wahrscheinlicher, dass er seine eigene Waffe mitgebracht hatte und nicht das Nächstliegende zur Hand nahm.
Anschließend machte sie sich auf die Suche nach Geld und Wertsachen. Sie fand ein paar hundert Dollar und ein wenig Schmuck, nicht viel. Die Handschuhe, die sie bei der Suchaktion getragen hatte, behielt sie an, als sie ins Arbeitszimmer hinüberging, um den Film zu holen.
Sie spülte die beiden Gläser, aus denen sie und Lenore getrunken hatten, und stellte sie in den Schrank an die Stelle, wo sie hingehörten. Auch dabei achtete sie darauf, keine Fingerabdrücke zu hinterlassen. Natürlich wusste sie, dass man ihre Fingerabdrücke überall in der Wohnung finden würde, aber das spielte keine Rolle. Sie würde gerne zugeben, dass sie ihre Freundin am Vortag besucht hatte. Wichtig war nur, keine Spuren ihres heutigen Besuchs zu hinterlassen. Sie war nach Einbruch der Dunkelheit angekommen und sicher, dass niemand sie gesehen hatte. Beim Wegfahren würde sie die Scheinwerfer erst einschalten, wenn sie die Ausfahrt hinter sich gelassen hatte. Dann wollte sie einen Umweg über Cahuenga fahren, wo für die Erweiterung der Autobahn Erde aufgeschüttet wurde. Das schien ihr der beste Platz zu sein, um die Säcke mit den blutigen Kleidungsstücken und dem Messer loszuwerden. In ihrer Wohnung würde sie sich anschließend umziehen und die in Lenores Haus gefundenen Kleider verschwinden lassen. Den Film konnte sie in dem großen Spülbecken in ihrer Küche verbrennen. Das schien alles zu sein. Gail überlegte, ob sie etwas vergessen hatte.
Das Drehbuch! Mein Gott, das Drehbuch. Blutbesudelt und voller Fingerabdrücke lag es auf dem Boden. Sie hob es auf und steckte es in die Müllbeutel, die sie in ihrem Wagen verstaute.
Das alles geschah drei Tage, ehe die Polizei bei ihr vorsprach. Gail war entsetzt, gab ihnen aber jede nur mögliche Auskunft. Ja, sie hatte die arme Lenore am Tag vor ihrem Tod besucht. Sie hatten zusammen ein Glas Wein getrunken und über alte Zeiten und Gails bevorstehende Hochzeit geplaudert. Wie konnte so etwas Schreckliches nur passieren? Sie würde beten, dass der Mörder bald gefunden wurde. Nie hatte Gail eine bessere Vorstellung gegeben.
Die Tage gingen vorüber. Als sie nichts mehr hörte, wusste sie, dass sie gewonnen hatte. Aus den Tagen wurden eine Woche, dann zwei.
Und schließlich kam der Hochzeitstag …
Als Joe die Nachricht von Lenores Tod erhielt, kam er aus Europa zurück. Er erzählte der Polizei alles, was er wusste. Dazu gehörte auch die Information, dass Lenore vor allem nach Kalifornien zurückgekehrt war, um Gail Prentice zu bitten, Clark Conrad das Drehbuch vorzulegen. Doch das gab der Polizei noch keinen Grund, sie des Mordes zu verdächtigen. Der ausschlaggebende Faktor war bemerkenswert simpel.
Als Gail Lenore ins Jenseits beförderte und das belastende Material beseitigte, machte sie einen winzigen Fehler, für den sie den Rest ihres Lebens bezahlen sollte: Sie nahm und verbrannte die falsche Filmspule.
Ihr war nicht aufgefallen, dass in dem Regal mehr als ein Film stand. Sie hatte Lenores Hand am Regal gesehen und nach dem ersten 8-mm-Film gegriffen, den sie dort fand. Der, um den es ging, war allerdings hinter einer altmodischen Uhr verborgen; Gail hatte einen Film mitgenommen, der Joe während seines letzten Skiurlaubs in Aspen zeigte. Der Fehler flog wenige Stunden vor der Hochzeit auf, als Joe eine Freundin davon zu überzeugen versuchte, wie schön es wäre, wenn sie mit ihm über das Wochenende in die Berge führe. Sofort rief er die Polizei an.
Es wurde einer der größten Skandale Hollywoods. Die Familienmaschinerie der Conrads arbeitete auf Hochtouren, um sich von der Geschichte zu distanzieren und war dabei erstaunlich erfolgreich. Greg gab einer Hand voll ausgesuchter, sympathischer Journalisten sorgfältig vorbereitete Interviews. Dann igelte sich die Familie ein, um ihm über das gebrochene Herz und den Schock hinwegzuhelfen. Die gesamte Upperclass von Hollywood wiederum stellte sich vor die Conrads. Gail Prentice wurde zur Unperson erklärt. Selbst Ben wollte nichts mit ihr zu tun gehabt haben. Niemand, der in dieser Stadt weiterhin arbeiten wollte, wagte es, dem Edikt der zusammengerotteten Aristokratie Paroli zu bieten.
Es war eine herbe Enttäuschung, als etwa einen Monat später alle
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