Stadt der Lüste
verlegt sind.«
Catherine hatte sie mit ein paar Hintergrundinformationen über Londoner Lofts versorgt. Während Emma Matt verstohlen betrachtete, fragte sie sich, ob Catherine ahnte, dass sie sich nur deshalb so bereitwillig um die Rayners kümmerte, weil sie gewisse Hintergedanken hatte. Emma war allerdings gar nicht sicher, ob sie all dies wirklich wollte. Irgendetwas nagte an ihr und hielt sie zurück.
»Ist dieser Loft so wie der Ihres Freundes in New York?«
»Nein, der hier ist viel moderner und ordentlicher. Die Wohnung meines Freundes war sehr … unkonventionell.«
Emma sah sich in dem Apartment um. Es war ein typischer, aber hübscher Loft ohne große Besonderheiten, mit unverputzten Backsteinwänden, riesigen Fenstern und einer hohen Decke. Im Küchenbereich dominierte gebürstetes Chrom, das Mobiliar war in kräftigen Grundfarben gehalten und der Boden bestand aus hellen, breiten Buchendielen. Die Inneneinrichtung wirkte wie aus einem Schöner-Wohnen-Katalog. Emma wusste, dass sich Matt sofort in die Wohnung verliebt hatte.
»Können sich meine Eltern das leisten?«
»Ja.«
»Ich bin nicht sicher, was ich davon halten soll.«
Er lächelte ihr zu und schlenderte zu einer Treppe, die auf eine Empore mit Bett hinaufführte. Matt trug eine weiße, lange Baumwolljacke, ein Seidenhemd, dessen Muster dem eines Hawaiihemdes ähnelte, und eine abgewetzte braune Kordhose. Als er die Treppe hinaufging und sich der Saum seiner Jacke ein wenig nach oben schob, erhaschte Emma einen Blick auf seinen Hintern. Sie ließ ihm Zeit, sich umzusehen, ging hinüber zum Essbereich und bewunderte den großen Tisch aus Ahornholz, an dem problemlos zehn Leute Platz fanden.
Zwischen den Fenstern hingen überall dort, wo die Wand breit genug war, Gemälde. Emmas Notizen zufolgekonnten sie jedoch entfernt werden, falls der Mieter dies wünschte, genauso wie einige kleinere Möbelstücke. Die sperrigen Möbel mussten allerdings in der Wohnung verbleiben, da die Eigentümerin sie nicht einlagern wollte.
Emma hörte Matts Schritte auf den Stufen und wandte sich zu ihm um.
»Und, was halten Sie von der Wohnung?«, fragte sie ihn.
»Sie ist anders, als ich sie mir vorgestellt habe. Auf den Fotos wirkte sie nicht ganz so riesig. Ich weiß nicht, ob ich mit derart viel Raum um mich herum schlafen kann, womöglich bekomme ich Platzangst. Was halten Sie denn davon?«
»Mir gefällt sie. Ich könnte mir gut vorstellen, hier zu wohnen. Und es ist etwas vollkommen anderes als die üblichen Londoner Wohnungen.«
»Die Aussicht ist nicht sehr berauschend«, wandte Matt ein.
»Ja, bloß eine Menge Dächer. Andererseits – welche Aussicht würden Sie denn aus einem verkitschten Kutscherhäuschen haben?«, fragte sie ihn.
»Ich weiß. Aber sagen Sie das mal meinen Eltern. Ist der Loft teurer als eine Wohnung in Kensington?«
»Nicht wirklich«, erwiderte Emma. »Das ist Verhandlungssache. Diesen Loft haben wir erst seit ein paar Tagen im Portfolio, und wir sind die Einzigen, die ihn anbieten. Außer Ihnen hat ihn noch niemand besichtigt.« Emma war überrascht, wie mühelos sie in die Rolle der Immobilienmaklerin schlüpfte.
»Meine Eltern waren übrigens ganz begeistert von Ihnen«,sagte Matt und blickte dabei aus einem der Fenster.
Emma betrachtete sein Profil, das von dem Licht im Hintergrund noch hervorgehoben wurde. Sie hatte plötzlich das Bedürfnis, die Hand auszustrecken und ihn zu berühren. Wusste er, was sie wollte? Wollte er es auch?
»Das ist schmeichelhaft. Die beiden sind sehr nett.« Matt drehte sich um und setzte sich auf die ausladende Fensterbank. Aus dieser Position musste er zu ihr aufschauen.
»Gefällt Ihnen die Arbeit bei Lomax?«, fragte er.
»Ja. Ich bin erst seit kurzem dort, aber ich fühle mich sehr wohl. Ich habe vorher lange in einer Bank gearbeitet, das war etwas ganz anderes.«
Matt betrachtete sie, und offensichtlich lag ihm eine Frage auf der Zunge. Emma sah schweigend zu ihm hinunter und nahm seinen Anblick in sich auf. Eine deutlich spürbare, angenehme Spannung erfüllte die Luft. Es war nicht Emmas Art, zu zögern und zu zaudern, aber sie neigte genauso wenig dazu, etwas zu überstürzen, wenn sie nicht sicher wusste, dass der richtige Zeitpunkt gekommen war.
»Ich sehe mich noch einmal um«, sagte Matt und sprang von der Fensterbank.
In den folgenden sechs oder sieben Minuten gelang es ihnen, sich in dem Apartment aus dem Weg zu gehen, das jedoch immer kleiner zu werden schien, als
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