Stadt der Lüste
Matt.
Emma holte die Unterlagen aus ihrer Aktentasche und legte sie auf den Tisch. Jede Mappe beinhaltete mehrere Seiten mit detaillierten Beschreibungen. Matthew wirkte beeindruckt und Elaine zufrieden, nur John rauchte ungerührt weiter.
»Der Loft in Soho ist wahrscheinlich geeigneter für Matthew. Er ist möbliert, im Gegensatz zu der anderen Wohnung, deren Eigentümer auch auf eine recht lange Mietbindung bestehen. Aufgrund der geringen Kosten und der besseren Umsetzbarkeit würde ich daher die Wohnung in Soho vorschlagen.«
»Soho, soso. Was hältst du denn davon, Matt?«, fragte John Rayner seinen Sohn.
»Dieser Stadtteil ist neuerdings außerordentlich begehrt«, fügte Emma hinzu, die ahnte, was in John Rayners Kopf vor sich ging, ohne jedoch zu wissen, ob er dem etwas zwielichtigen Ruf von Soho positiv oder negativ gegenüberstand.
»Die Wohnung sieht großartig aus«, sagte Matt, während er die Fotos begutachtete.
»Ein Freund von mir hat in einem ähnlichen Loft in New York gewohnt. Ich habe einige Zeit dort verbracht, und die Wohnung war wirklich etwas Besonderes, sehr geräumig und hell. Aber natürlich kommt es ganz darauf an, was Ihnen gefällt«, erklärte Emma.
Sie sah zu Elaine Rayner, um abzuschätzen, welche Meinung diese dazu hatte. Elaine betrachtete ihren Sohn, der immer noch eingehend die Unterlagen studierte, dann erwiderte sie Emmas Blick.
»Ich finde nach wie vor, dass eine Wohnung hier in der Nähe sinnvoller und praktischer wäre«, wandte John Rayner ein.
Matt blickte schweigend zu seiner Mutter.
»John, es ist vollkommen irrelevant, ob die Wohnung in der Nähe liegt. Ein Umzug ist ein Umzug. Es geht doch nur darum, ob Matthew zufrieden ist.«
»Mir gefällt das einfach nicht«, wiederholte er.
»Und was genau gefällt dir nicht?«, fragte seine Frau resigniert. Die beiden begannen zu diskutieren, ohne Emma und ihren Sohn weiter zu beachten.
Matthew sah Emma über die Unterlagen hinweg an. »Danke, dass Sie diese Informationen mitgebracht haben. Könnte ich mir den Loft in Soho einmal anschauen?«
»Natürlich, wir haben die Schlüssel«, erwiderte sie.
»Wie wäre es mit morgen?«
»Wenn Ihre Eltern damit einverstanden sind«, sagte sie mit einem Blick auf John und Elaine Rayner.
»Letztendlich werden die beiden mich wohnen lassen, wo immer ich will. Aber sie müssen erst miteinander diskutieren, sich gegenseitig beschuldigen, die Sache wieder rational angehen und die ganze Skala therapeutischer Methoden durcharbeiten, bevor sie irgendeine Entscheidung treffen können«, flüsterte er ihr zu, in etwa derselben Art, wie sich sein Vater kurz zuvor an sie gewandt hatte. »Ich wurde schon im Mutterleibanalysiert. Ach, und bitte nennen Sie mich Matt. Das ist mir lieber. Matthew klingt wie ein Chorknabe.«
Emma sah im Geiste einen kleinen Jungen in spitzenverziertem weißem Gewand vor sich.
»Leute!«, rief Matt. »Miss Fox hat gerade gesagt, dass sie die Schlüssel für die Wohnung in Soho hat. Ich würde sie mir gern anschauen. Danach sage ich euch, was ich davon halte, und wir können darüber reden. Ist das für alle Beteiligten in Ordnung?«
Seine Eltern beendeten abrupt ihre Debatte. Die Worte ihres Sohnes schienen sie zu besänftigen. Mit wenigen Sätzen hatte Matt es sowohl seiner Mutter, der Therapeutin, als auch seinem Vater, dem allwissenden Spießbürger, recht gemacht.
Die Wohnungsbesichtigung war damit beschlossene Sache. Emma versicherte Matt, dass sie alles Nötige arrangieren würde, und fragte Mr. und Mrs. Rayner, ob sie mitkommen wollten, doch Matt ging dazwischen, bevor seine Eltern antworten konnten.
»Nein«, sagte er, und seine Augen verengten sich wie bei der Begrüßung. »Ich werde allein hingehen.«
Sieben
Wie hell es hier ist!«, rief Matt begeistert, als er den Loft in Soho betrat.
Es war Viertel nach zwei am Nachmittag, und die Sonne schien durch eine lange Reihe hoher Fenster.
»Es gibt momentan nicht viele Apartments dieser Art auf dem Wohnungsmarkt. Wir haben Glück, dass zwei zur Auswahl stehen, obwohl ich glaube, dass der Loft in Clerkenwell nicht so schnell einen Mieter finden wird«, erwiderte Emma.
»Warum wird der hier überhaupt vermietet?«, fragte Matt.
»Die Eigentümerin ist zurzeit in Japan. Sie leitet dort eine Unternehmensberatung und wird diese Wohnung im kommenden Jahr nicht brauchen. Normalerweise werden Lofts als leere Hülsen gekauft, in denen nur die elementaren Versorgungsleitungen für Strom und Wasser
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