Stadt der Lüste
breitem Gummiband und weit ausgeschnittenem Bein hoch. Dann sah er Emma an, streckte seine Zunge heraus, bewegte sie schnell auf und ab und hob gleichzeitig eine Augenbraue.
»Kauf ihm doch so eine, Emma«, schlug er vor.
»Hoffst du auf einen detaillierten Bericht darüber, wie ihm die Unterhose steht? Da werde ich dich leider enttäuschen müssen.«
Tom erschien an Neils Seite, achtete jedoch nicht auf dessen Possen mit der Unterhose.
»Neil, du musst dir unbedingt diese Jacken ansehen. Ich kann mich einfach nicht entscheiden, welche ich nehmen soll«, sagte er.
»Mutter ist verliebt«, sagte Neil. »Bald werden wir Waisen sein.«
Tom warf Emma einen Blick zu. Er und Neil waren ihr großartige Freunde, jeder auf seine eigene Art. Neil war furchtbar witzig und spielte gern die Tunte, während Toms Warmherzigkeit Balsam für die Seele war. Nun sagte er nichts, sondern deutete nur ein wohlwollendesNicken an. Trotzdem war Emma peinlich berührt. Sie wollte nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen und wünschte, sie hätte Neil gegenüber nichts erwähnt. Andererseits hatte sie es seit dem Nachmittag mit Matt kaum erwarten können, ihm alles zu erzählen. Nach fast vier Jahren voller One-Night-Stands hatte sie beinahe vergessen, wie es sich anfühlte, jemanden zu begehren und ihn wiedersehen zu wollen.
»Ich glaube, Tom hat dir gerade seinen Segen gegeben«, sagte Neil. »Ich küsse seinen Ring später. Sag deinem Freund, dass er erst bei uns um deine Hand anhalten muss.«
Emma und Tom stießen gleichzeitig einen verzweifelten Seufzer aus, ließen Neil mit der Unterhose in der Hand stehen und gingen zu den Timberland-Jacken.
Kurze Zeit später beschlossen die Jungs, sich noch ein wenig in der Porzellanabteilung umzusehen. Emma kaufte derweil das Donna-Karan-Jackett für Neil und versteckte es in einer ihrer eigenen Tüten zwischen zwei Hosen und einem Kostüm, das sie in der Agentur tragen wollte. Außerdem hatte sie noch zwei Paar Schuhe erstanden. Sie würde schon eine passende Gelegenheit finden, bei der sie Neil das Jackett geben konnte.
Der Tag verging viel zu schnell, und sie beschlossen, ihn im Kino mit einer Komödie ausklingen zu lassen. Emma saß zwischen Neil und Tom, in der Hand einen für New Yorker Maßstäbe winzigen Becher Popcorn. Als sich die Jungs nach der Werbung noch schnell ein Eis holten, zog Emma das Jackett von Donna Karan hervor und legte es in eine von Neils Tüten.
Nach der Vorstellung fragte Neil Emma vor dem Kino mit weinerlicher Stimme: »Werden wir dich jemals wiedersehen?«
»Ich rufe euch nächste Woche an«, versprach sie.
»Und wann stellst du uns Mr. Right vor?«
»Alles zu seiner Zeit.«
»Neil, hör auf, sie zu drangsalieren!«, mischte sich Tom ein. »Sie hat ihn doch gerade erst kennengelernt.«
»Aber sie weiß schon, dass er der Richtige ist. Nicht wahr?« Neil warf ihr einen flehenden Blick zu.
»Dazu sage ich jetzt nichts mehr. Ich rufe euch nächste Woche an.«
»Aber Mutter, du kannst uns doch nicht einfach so hier stehenlassen!«, protestierte Neil.
Emma winkte lachend ab. »Ich halte euch auf dem Laufenden.«
»Warte!«, bat Neil eindringlich und reichte ihr eine kleine Tüte. »Ich habe ein Geschenk für dich. Na ja, mehr oder weniger für dich. Und ich will
Einzelheiten
.«
»Versprochen«, erwiderte sie und küsste ihn und Tom zum Abschied auf die Wange. Sie konnte sich denken, was in der Tüte war – die Unterhose, mit der Neil herumgeblödelt hatte. Er liebte es, das letzte Wort zu behalten.
Als Emma etwa zehn Schritte von ihnen entfernt war, wandte sie sich um und rief: »Ach, Neil!«
Er drehte sich ebenfalls um.
»Grüß Donna von mir.«
Emma lachte laut über seinen verwirrten Gesichtsausdruck und winkte ein Taxi heran.
Elf
Als Emma um kurz vor neun die Agentur betrat, saß Catherine bereits am Schreibtisch und brütete über Unterlagen. Es schien fast, als wäre sie die ganze Nacht im Büro gewesen. Außer ihr waren nur ein paar Angestellte da, und es würde noch dauern, bis die Agentur zum Leben erwachte.
Emma hatte die Besprechung mit Nic Lawson, die für den späten Vormittag anberaumt war, zum Anlass genommen, sich eleganter zu kleiden als sonst. In dem weichen Kaschmirkleid von Calvin Klein und ihrem Lieblingsmantel von Chanel fühlte sie sich gleich viel wohler, und auch die Passanten auf der Straße reagierten auf ihr Outfit. Während sie die Kings Road entlanggeschlendert war, hatte sie zufrieden bemerkt, dass sich
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