Stadt der Lüste
der eine oder andere bewundernd nach ihr umdrehte. Catherine hingegen sah müde aus.
»Guten Morgen«, begrüßte Emma sie und schloss die Bürotür hinter sich.
Catherine warf einen leicht verwirrten Blick auf ihre Uhr.
»Wir haben Mittwoch«, sagte Emma in einem liebevoll neckenden Tonfall. »Bitte sag jetzt nicht, dass du die ganze Nacht hier warst, Catherine.«
»Ich fühle mich zumindest so. Und wie geht es dir? Akzeptieren dich die anderen inzwischen?«
»Noch nicht wirklich. Sie sind ein bisschen misstrauisch, aber ich arbeite daran.«
»Ed ist dir gegenüber viel umgänglicher geworden. Ich habe keine Ahnung, was du während dieser Wohnungsvermessung mit ihm angestellt hast, aber es hat auf jeden Fall etwas gebracht«, sagte Catherine.
»Wir sind gewissermaßen zu einer Einigung gekommen«, erwiderte Emma lächelnd. Dann fuhr sie mit ernster Miene fort: »Hör mal, ich habe mir die Um sätze der letzten Monate angesehen und bin ein bisschen verwundert über die spärlichen Details. Erstellt Sonia eigentlich eine Trendanalyse?«
»Nein, wir gehen intuitiv mit so etwas um. Wir wissen ungefähr, zu welchem Zeitpunkt im Jahr das Geschäft gut läuft und wann es eine Flaute gibt. Sonia listet nur den Cashflow auf.«
»Wie lange bewahrt ihr die Aufzeichnungen hier auf, bevor ihr sie archiviert?«
»Ungefähr achtzehn Monate lang, glaube ich. Ich bin mir aber nicht ganz sicher, ich müsste Sonia fragen.«
»Gibt es eine Möglichkeit, wie ich an die Aufzeichnungen der letzten drei Jahre komme, ohne Aufmerksamkeit zu erregen?«
Catherine dachte einen Augenblick lang nach. »Ich werde mal sehen, was sich machen lässt. Hmm – das ist eigentlich ziemlich lächerlich, oder? Schließlich gehört mir der Laden.«
»In meinem alten Job haben wir uns eingehend mit dem Thema Eigentum und Kontrolle beschäftigt. Man kann allein durch den geschickten Einsatz von Informationen Kontrolle ausüben, Catherine.«
»Willst du in den Unterlagen nach etwas Bestimmtem suchen?«
»Nein, noch weiß ich nicht, wonach ich suche«, erwiderte Emma. »Aber vielleicht finde ich auffällige Muster oder Entwicklungen. Das war schon bei Morse Callahan meine Stärke. Das Problem liegt meist nicht darin, dass es zu wenig Informationen gibt, sondern darin, wie diese Informationen interpretiert und manipuliert werden.«
»Ich merke schon – ich kann froh sein, dass du auf meiner Seite bist. Du siehst heute übrigens umwerfend aus. Hast du dich zu Ehren unseres Freundes Mr. Lawson in Schale geworfen?«
»Ich dachte, ein bisschen Aufwand könnte nicht schaden. Gibt es vor dem Meeting eine Lagebesprechung mit Malcolm und Dominic?«
»Ja. Wie wäre es in einer halben Stunde?«
»Einverstanden«, erwiderte Emma und verließ Catherines Büro.
Die Lomax-Immobilienagentur versuchte, Nic Lawson als Kunden zu gewinnen. Er hatte sich von ganz unten nach ganz oben gearbeitet und gehörte damit zu den sogenannten Neureichen. Ob es dem alten Geldadel nun passte oder nicht, Leute wie Nic Lawson spielten im Luxussegment inzwischen eine große Rolle. Neil kannte Nic vom Hörensagen und hatte Emma kurz über ihn ins Bild gesetzt. »Er ist der Manager einer Boygroup, deren Mitglieder immer mit nacktem Oberkörper durch die Gegend tanzen. Tom steht drauf – er ist ziemlich tittenfixiert, musst du wissen«, teilte Neil ihr mit. Nic Lawsons Interessen beschränkten sich jedochnicht auf das Musikgeschäft. Er besaß auch Anteile einer Firma, in der Video- und Computerspiele entwickelt wurden. Um mehr über Lawson zu erfahren, rief Emma Chris an, dankte ihm nochmals für den »Willkommensgruß« in ihrer Wohnung und bat ihn dann, aus dem Onlinesystem seiner Firma alles über Nic herauszusuchen, was er finden konnte. Wie immer kam Chris ihr sehr entgegen.
Viel wichtiger waren jedoch die Gespräche, die bereits zwischen Nic Lawson und Lomax stattgefunden hatten. Malcolm hatte ursprünglich Dominic damit beauftragt, sich um Lawson zu kümmern, die Verhandlungen jedoch selbst übernommen, als er bemerkte, dass Dominic keinen Erfolg hatte. Leider waren auch diese Gespräche schiefgelaufen. Nic Lawson gab Lomax nun eine dritte Chance, was Emma äußerst nachsichtig fand. Bevor sie und Catherine sich mit ihm trafen, wollte Emma jedoch herausfinden, woran die Gespräche bisher gescheitert waren.
Bis auf Jane Bennett waren inzwischen alle zur Arbeit erschienen und saßen geschäftig an ihren Plätzen. Emma hatte beschlossen, sich einige Auslandstransaktionen
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